Die Erben von Hammerfell - 5
Eimer neben dem Kamin und wünschte, der Bauer würde kommen, damit er ihm eine Strafpredigt darüber halten konnte, daß man Feuer nicht ohne Aufsicht läßt. Wo waren die Leute überhaupt, was trieben sie nachts draußen - sicher nichts Gutes. Nun, vielleicht kamen sie bald, und er konnte ihnen von seinem Schrecken erzählen, der, wenn man ihn teilte, sogar lustig sein mochte.
Doch als nach einer Weile immer noch niemand erschienen war, ging er wieder in die Kälte hinaus, um weiter die Grenzen abzuschreiten. Das Wetter war noch schlimmer geworden, eine dichte Mischung aus Regen und Schnee kam herunter. Schließlich überlegte Lord Storn, ob es nicht das Vernünftigste sei, in das Haus zurückzukehren und die Nacht am Feuer seiner Pächter zu verbringen. Die Grenzen und die Brandschäden konnte er am Morgen weiter überprüfen. Warum nur hatte er sich in den Kopf gesetzt, die Schäden im Dunkeln und bei einem solchen Unwetter festzustellen? Hatte er vor dem jungen Hammerfell angeben wollen? Aber nein, als er ging, war der Regen hoch leicht gewesen, und er hatte das Bedürfnis nach frischer, kühler Luft und nach Einsamkeit verspürt.
Das Heulen des Windes hörte sich jetzt unheilverkündend an und mahnte ihn, der sich ein Leben lang in der Wetterkunde geübt hatte, ein Obdach zu suchen. Stolz war schön und gut, aber Wahnsinn war etwas anderes.
Am besten ging er zum nächsten Hof. Dort wohnte ein Mann namens Geredd, der schon seit zwanzig oder dreißig Jahren Pächter war. Auch sein Land sollte umgewandelt werden, und Geredd hatte die Kündigung erhalten, aber soviel Lord Storn wußte, wohnte er immer noch da. Er stampfte weiter, stolperte an einer Stelle in einen Graben und kam mit gefrierendem Schlamm bedeckt wieder heraus. Seine Stiefel waren durchweicht, weil er in Wasser getreten war, das über die Schäfte ging. Dann sah er die Lampe in Geredds Fenster schimmern, und kein Anblick war ihm seit langem so willkommen gewesen. Mit einem lauten »Hallo!« versuchte er Aufmerksamkeit zu erregen, und gleich darauf schlug er gegen die Tür.
Ein junger Mann, der über einem Auge eine schwarze Klappe trug, was ihm ein grimmiges und wildes Aussehen verlieh – Storn erinnerte sich nicht, ihn je zuvor gesehen zu haben -, schob die Tür auf:
»Was willst du?« fragte er argwöhnisch. »Und zu dieser gottverlassenen Stunde, wenn alle ehrlichen Leute im Bett sind?«
»Ich hab’ mit Geredd zu reden«, antwortete Storn. »Soviel ich weiß, ist dies sein Haus. Und wer bist du?«
»Opa!« brüllte der Mann. »Hier will dich jemand sprechen!«
Geredd, gebückt, klein und rund und in zerknittertes altes Selbstgewebtes gekleidet, kam an die Tür. Sein Blick verriet Mißtrauen, doch als er Storn sah, verschwand es.
»Mein Lord!« rief er aus. »Ihr erweist mir Gnade. Kommt aus der Kälte herein!«
Wenige Minuten später saß Storn auf einer gepolsterten Bank am Kamin. Seine durchweichte Oberbekleidung und seine Stiefel dampften vor dem Feuer.
»Es tut mir leid, daß ich keinen richtigen Wein für Euch habe, Sir. Könntet Ihr Euch mit dem Gedanken an heißen Apfelwein anfreunden?«
»Mit Vergnügen«, sagte Lord Storn. Diese Freundlichkeit verblüffte ihn, nachdem seine Verwalter den Pachtvertrag für diesen Hof gekündigt hatten. Doch vermutlich saß die Clan-Loyalität bei diesen Leuten tief. Schließlich waren sie zum größten Teil seine entfernten Verwandten, und die Ehrerbietung vor dem Clan-Führer und Lord war von alters her überliefert. Der heiße Apfelwein wurde gebracht, und er trank ihn dankbar.
»Der mürrische Bursche mit dem einen Auge – ist das dein Enkel?« Er dachte daran, daß er Geredd »Opa« gerufen hatte.
»Er ist der Stiefsohn meiner älteren Tochter. Ihr zweiter Mann brachte ihn mit in die Ehe, er ist nicht mit mir verwandt; sein Vater ist vor vier Jahren gestorben. Ich lasse den Jungen bei mir wohnen, weil er sonst keinen Ort hat, wohin er gehen könnte. Die Leute seines Vaters sind alle nach Süden gezogen, um in Neskaya Arbeit im Wollhandel zu suchen. Er aber sagt, er habe keine Lust, ein landloser oder wurzelloser Mann zu werden, und bleibe deshalb hier. Ängstlich fügte Geredd hinzu: »Er redet ungehobelt, aber Ihr wißt ja, wie junge Männer sind – sie reden, doch sie tun nichts.«
»Ich würde gern einmal mit diesen unzufriedenen jungen Leuten sprechen und herausfinden, was in ihren Köpfen vor sich geht.« Storn sah sich in dem alten Raum mit den hohen Dachbalken um, aus dem der
Weitere Kostenlose Bücher