Die Erben von Hammerfell - 5
und lebendig, Alastair dagegen nur ein mattes Spiegelbild.
»So oder so«, fuhr sie fort und bemühte sich um einen leichteren Ton, »werdet Ihr mich als Tochter bekommen. Ist es für Euch von Bedeutung, welchen von beiden ich heirate?«
»Nur, wenn du Herzogin von Hammerfell werden möchtest«, sagte Erminie leise.
Zum erstenmal faßte Floria es in Worte. »Ich möchte lieber Conn haben als Herzogin von Hammerfell sein.«
Und nun war Conn in das Unwetter hinausgeritten. Sie wünschte, sie hätte mit ihm reiten können, aber von Frauen verlangt man, daß sie zu Hause bleiben und auf ihre Männer warten… Vielleicht ist es anstrengender, zu warten und sich Sorgen zu machen, als selbst zu handeln.
Floria sagte sich, daß es nichts nützte, wenn sie sich Conns wegen aufregte. Es war seine Aufgabe, dahin zu gehen, wo seine Leute ihn brauchten. Sie lächelte Gavin zu. »Sing uns ein Lied, mein Freund, bevor wir uns schlafen legen. Hier sind wir bestimmt sicher, und ich sehe, daß Lady Erminie müde ist.« Schließlich hatte Conn seine Mutter in ihrer Obhut zurückgelassen. Da sie ihn kannte, zweifelte sie nicht daran, daß er dies als eine ehrenvolle Aufgabe betrachtete.
Der Regen hatte aufgehört, an dem klaren Himmel funkelten die Sterne, und es war bitter kalt. Conn ritt, umgeben von seinen Männern, um ein Unrecht zu verhüten, das er nicht einmal verstand. König Aidan hatte als selbstverständlich vorausgesetzt, daß der Lord all dieser Leute das Recht besaß, über ihr Geschick zu bestimmen.
Vielleicht war es nicht richtig, daß dieses ganze Land Lord Storn gehörte. Vielleicht lag der Fehler im System. Sollte der Boden nicht Eigentum der Kleinbauern sein, die ihn bebauten? Dann könnten sie selbst entscheiden, wie er am besten zu nutzen wäre. Aber solange dieses System das Gesetz war, wer war er, daß er über das Gewissen von Lord Storn wachte und ihm sagte, wie er mit seinem Besitz zu schalten und zu walten habe?
Nie zuvor waren Zweifel in ihm aufgestiegen. Er hatte gläubig hingenommen, daß das, was Markos Unrecht nannte, auch Unrecht war. Jetzt stellte er alles in Frage. Er wußte nicht, was recht war, aber in ihm wuchs die Überzeugung, das Land solle den Bauern übereignet werden.
Es mußte ihm durch die geheimnisvolle Verbindung mit dem Geist seines Bruders zugeflossen sein, daß Alastair seine Meinung nicht teilte. Alastair betrachtete es als göttliche Fügung, daß er die Macht über all diese Menschen besaß, die als seine Untertanen geboren waren. In diesem Punkt würde er sich mit Alastair vielleicht nie einig werden, dachte Conn. Aber bis zu diesem Abend hatte er es als richtig angesehen, daß er sich Alastair unterordnete, nur weil sein Bruder durch einen dummen Zufall um zwanzig Minuten älter war als er.
Welchen Unterschied machte denn das? Wenn er nun geeigneter zum Herrschen war als Alastair…
Hier brach er ab. Er war ehrlich entsetzt über die verräterische Richtung, die seine Gedanken nahmen. Seit er Alastairs versprochene Frau mit Begehren angesehen hatte, zweifelte er an allem – dem Gesetz, dem Anstand, den Grundlagen der universellen Ordnung, auf die er sich zeitlebens verlassen hatte.
Er zwang sich, nicht mehr an all das zu denken und sich nur noch auf die Hufschläge der Pferde auf den vereisten Stehlen der Straße zu konzentrieren. Ein Aufschrei von Markos riß ihn aus seiner Träumerei.
»Wir kommen zu spät! Seht, Storns Schlägertrupps haben schon Feuer gelegt, das Dorf brennt!«
»Weiter!« befahl Conn. »Ein paar Dorfbewohner mögen noch da sein, und wenn sie in einer Nacht wie dieser ins Freie gejagt werden, brauchen sie unsere Hilfe um so mehr.«
Noch bevor sie etwas sahen, vernahmen sie es: Männer, die ihrer Kleidung nach zu Storns Haushalt gehörten, stießen und schoben auf der Straße eine gemischte Gruppe aus Männern, Frauen und Kindern, alle nur halb angezogen. Eine junge Frau in einem Nachtgewand hatte zwei Säuglinge auf den Armen, an andere Frauen klammerten sich barfüßige Kinder, ein alter Mann lief schimpfend und tobend herum.
»Ich schwöre, ich habe von meinem Lord nach vierzig Jahren etwas Besseres verdient!« Eine ältere Frau mit grauem Haar, offensichtlich seine Frau, versuchte, ihn zu beruhigen.
»Nun, das wird alles geregelt, wenn es Tag wird…«
»Aber mein Lord versprach mir…«
Conns Blick fiel auf einen anderen kleinen alten Mann in einem geflickten Nachthemd und Stiefeln über bloßen Füßen. Er schüttelte die Fäuste und brüllte
Weitere Kostenlose Bücher