Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
sprachen die Gäste aus Kalifornien im Salon bereits wortreich dem Alkohol zu. Das Abendessen wartete seit einer Stunde darauf, serviert zu werden. »Wo hast du gesteckt?«, herrschte Lucy Percy im hinteren Flur an. Wyatt hatte Percy in sein Zimmer geschickt.
»Ich habe meinen Sohn besser mit mir bekannt gemacht.«
Dies war die letzte Dinnerparty, die je bei den Warwicks stattfand. Als Lucy die hintere Treppe hinaufeilen wollte, packte Percy sie am Arm und dirigierte sie mit einem Griff zurück in den Salon, der ihr signalisierte, dass sie, wenn sie die Gäste allein ließe, mit körperlicher Gewalt, Scheidung oder Schlimmerem rechnen musste. Während des Essens und hinterher beim Port saß sie einsilbig und mit besorgtem Blick da, während ihr Mann, der sich inzwischen umgezogen hatte,
Small Talk machte und den Wein ausschenkte. Sobald die Gäste draußen waren, hastete sie zu Wyatt hinauf.
Percy, der in seinem Zimmer die Manschettenknöpfe ablegte, hörte ihren Entsetzensschrei und wartete darauf, dass sie hereinstürmte. »Wie konntest du das tun?«, kreischte sie. »Fast hättest du unseren Sohn zu Tode geprügelt.«
»Du übertreibst, Lucy. Was ich mit ihm angestellt habe, ist nichts im Vergleich zu dem, was er seit Jahren mit Matthew DuMont macht.« Er erzählte ihr, was in der Schule geschehen war und wie Wyatt Matthew systematisch tyrannisierte.
»Ich weiß, das war nicht richtig, Percy«, weinte Lucy, »aber du hast dich noch schlimmer aufgeführt. Er wird dich dafür hassen.«
»Das tut er bereits.«
»Nur, weil du Matthew zu viel Aufmerksamkeit schenkst. Deswegen behandelt er ihn so. Er ist eifersüchtig auf ihn.«
»Matthew verdient meine Zuneigung. Anders als Wyatt.«
»Matthew! Matthew! Matthew!« Bei jedem Mal, den sie den Namen des Jungen ausrief, schlug sie mit der Kante der einen auf die Fläche der anderen Hand. »Immer nur er! Heilige Mutter Gottes, fast könnte man meinen, Matthew wäre dein Sohn!«
Die Worte hingen in der Luft wie Rauch nach einer Explosion. Lucy starrte Percy mit großen Augen an. Percy gelang es nicht, den Kopf schnell genug abzuwenden, so dass sie sein Gesicht nicht sehen konnte. »Nein …«, keuchte sie. »Matthew ist dein Sohn, stimmt’s? Deiner und … Marys …« Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Gütiger Himmel …«
Percy wandte sich ab, weil er wusste, dass kein noch so beharrliches Leugnen wiedergutmachen konnte, was seine Miene verraten hatte.
Lucy stellte sich direkt vor ihn. Er schaute über sie hinweg
durchs Fenster hinaus auf das mondbeschienene Anwesen und distanzierte sich innerlich aus dem Zimmer – eine Technik, die er in den Schützengräben entwickelt hatte, um nicht den Verstand zu verlieren.
Eine schallende Ohrfeige holte ihn in den Raum zurück. »Du hast vielleicht Nerven!«, kreischte Lucy. »Wie kannst du es wagen, mich in einer solchen Situation aus deinen Gedanken auszuschließen! Sag mir die Wahrheit, du Schwein!«
Mit brennender Wange antwortete Percy müde, aber auch froh darüber, dass das Versteckspiel zu Ende war: »Ja, es stimmt. Matthew ist Marys und mein Sohn.«
Lucy sah ihn eine ganze Weile mit offenem Mund und bebendem Busen an. »Eigentlich hätte mir die Art und Weise, wie du Matthew anschmachtest, verraten müssen, dass er dein Kind ist, aber ich hab Mary geglaubt, die meinte, ihr beide hättet kein Interesse aneinander und ich könnte mein Glück versuchen. Ich hab’s ihr abgekauft, weil ich wusste, dass sie nie die Beine für einen Mann breit machen würde, der sich einen Dreck um Somerset schert …« Da dämmerte ihr eine weitere Erkenntnis. Sie trat einen Schritt zurück, als wollte sie ihm eine zweite Ohrfeige geben. »Bei ihr hast du ihn also hochgekriegt! Jedenfalls lange genug, um sie zu schwängern.«
»Lucy, es ist sinnlos, darüber zu sprechen.«
»Sinnlos?« Lucy begann, Percy langsam zu umkreisen, die feisten Finger gespreizt, die spitzen Nägel wie Krallen ausgestreckt, um ihm die Augen auszukratzen. »Sag’s mir, du Mistkerl! Hast du ihn bei ihr hochgekriegt und oben behalten?«
Als Percy das wutverzerrte Gesicht seiner Frau sah, kam er zu dem Schluss, dass er nicht mehr mit der Lüge – und ihr – leben konnte. Diese Lüge hatte ihre angeborene Boshaftigkeit entfesselt und seine Unzufriedenheit über ihren gemeinsamen Sohn.
»Antworte, du Schwein«, herrschte Lucy ihn an, »oder
schaffst du’s nicht zuzugeben, dass nicht mal die schöne Mary Toliver deine Männlichkeit in
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