Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
um sein Herz. »Kanada …«, überlegte sie laut. »Deswegen warst du bei der Hochzeit von Ollie und Mary nicht dabei … Weiß Ollie, dass Matthew nicht von ihm ist?«
Sie erinnerte ihn an eine Schlange, die sich an ihr Opfer heranwand. »Ja.«
Lucy schlenderte zu einem der Fenster und sagte mit dem Rücken zu ihm: »Aber Matthew ahnt nicht, dass du sein Vater bist, oder?«
Percy bekam eine Gänsehaut. Warum nur hatte er Kanada erwähnt? In Lucys Händen würde die Wahrheit sie alle vernichten … alle, die er liebte. »Nein, Lucy.«
Am zerrissenen Ausschnitt ihres Kleids nestelnd, wandte sie sich langsam wieder ihm zu. »Natürlich nicht. Ich habe deine Mutter damals gefragt, warum du bei Ollies und Marys
Hochzeit nicht dabei warst, und Beatrice hat geantwortet, dass du erst am Tag nach der Feier zurückgekommen bist. Also hat Mary ihre Schwangerschaft in der Zeit deines Kanada-Aufenthalts bemerkt und ist zu Ollie gegangen, der immer schon alles für sie getan hätte. Er war bereit, sie so zu nehmen, wie sie war. Verdorbene Ware ist allemal besser als gar keine, besonders für einen Einbeinigen. Außerdem wusste Ollie ja, aus welchen Händen er sie übernahm …«
»Halt den Mund, Lucy.«
»Nicht, bevor ein paar Dinge geklärt sind, mein Lieber.« Sie trat direkt vor ihn hin. Percy wich instinktiv zurück. »Gott, wie ich dich hasse, du Mistkerl. Percy Warwick, ich stelle mir die Zukunft folgendermaßen vor: Eine Scheidung wirst du von mir nie kriegen. Versuch’s gar nicht erst, denn wenn du das tust, sage ich Matthew die Wahrheit über seinen Vater. Und nicht nur ihm, sondern ganz Howbutker. Dann müssen alle nur noch zwei und zwei zusammenzählen, wie ich. Ihnen wird einfallen, dass Mary Matthew in Europa zur Welt gebracht hat. Sie werden sich an die übereilte Hochzeit erinnern, an die hastige Abreise und daran, wie untypisch es für Mary war, einfach wegzulaufen und die Plantage so lange allein zu lassen. Sie werden sich entsinnen, dass du damals in Kanada warst und keine ehrbare Frau aus ihr machen konntest. Die Wahrheit ist ziemlich einleuchtend.«
Sie nahm ihre Diamant-Rubin-Ohrringe ab. »Ahnen Mary und Ollie, dass du um deine Vaterschaft weißt?« Als Percy schwieg, sagte sie: »Das hatte ich mir schon gedacht. Sie glauben also, das Geheimnis vor dir bewahrt zu haben. Keine Ahnung, wie du dahintergekommen bist, aber ich kann mir vorstellen, was es für sie – für euch alle – bedeuten würde, wenn die Sache herauskäme.«
Percy begann zu frösteln, weil ihm klar war, dass sie jedes Wort ihrer Drohung ernst meinte. Sie hatte nichts zu verlieren,
er hingegen alles. »Warum willst du mit mir verheiratet bleiben, Lucy? Du bist hier doch nur unglücklich.«
»Nein, durchaus nicht. Ich bin gern die Frau eines reichen, mächtigen Mannes und werde es in Zukunft noch mehr genießen. Und wenn ich wirklich so … abscheulich bin im Bett, habe ich ja wohl keine allzu großen Chancen, mir noch einmal einen Mann aus der guten Gesellschaft zu angeln, oder? Außerdem gibt es einen weiteren Grund, warum ich mit dir verheiratet bleiben will: Ich werde dich nicht für Mary Toliver DuMont freigeben.«
»Ich könnte sie ohnehin nicht heiraten, Lucy, nicht einmal dann, wenn ich mich morgen von dir scheiden ließe.«
»Ich will ganz sicher sein. Nein, Percy, du bist bis ans Ende deiner Tage mit mir verbunden – oder bis zum Tod von Mary DuMont.«
Der zufriedene Ausdruck verschwand aus ihren eisig blauen Augen, als Percy auf sie zutrat, und sie wich so weit zum Kamin zurück, wie ihr Kleid es erlaubte. »Dann sollte dir Folgendes klar sein, Lucy: Wenn Matthew jemals erfahren sollte, dass ich sein Vater bin, jage ich dich ohne einen Cent aus dem Haus. Dann wirst du es bedauern, dich nicht verdrückt zu haben, solange der Wind noch günstig für dich stand. Du hast vorhin behauptet, mich überhaupt nicht zu kennen. Ich an deiner Stelle würde das nicht vergessen.«
Lucy schob sich an ihm vorbei. »Ich kann dir nachsehen, dass du mich nicht liebst, Percy«, sagte sie an der Tür, »aber dass dir nichts an Wyatt liegt, werde ich dir nie verzeihen. Er ist auch dein Sohn.«
»Darüber bin ich mir im Klaren, Lucy, und vielleicht tröstet es dich zu wissen, dass ich mir das selbst nie vergeben werde.«
VIERZIG
Howbutker, Juli 1935
H ier ist ein Brief für Sie, Mr Warwick. Der Winston-Junge hat ihn gebracht.«
Als Percy das Schreiben von seiner Sekretärin entgegennahm, erkannte er die Schrift auf dem
Weitere Kostenlose Bücher