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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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Tasse. »Hast du deshalb nie jemandem von den Verletzungen erzählt, die er dir zufügt? Weil du weißt, wie er sich fühlt?«
    »Ja, Sir«, antwortete Matthew, den Blick auf die Tasse gerichtet, um die sich seine schmalen Jungenhände wölbten.
    »Nun«, meinte Percy und zerzauste Matthew die schwarzen Haare. »Vielleicht finden Wyatt und ich gemeinsam eine Lösung für das Problem. Doc Tanner kommt gleich, um sich die Verletzung anzusehen, und ich entschuldige mich … für
die Grausamkeit meines Sohnes. Es wird nicht wieder passieren.« Er nahm den Handschuh. »Den lasse ich reparieren.«
    Vom Flur aus rief er Ollie im Büro an und sagte ihm, was passiert war. »Ich glaube, du solltest nach Hause kommen«, meinte er. »Matthew könnte deine Gesellschaft vertragen. Und Mary sollte auch hier sein.«
    »Ich mache mich sofort auf den Weg. Ich weiß nicht, ob ich Mary erreichen kann.«
    »Warum zum Teufel ist sie um diese Tageszeit nicht daheim? Die Schule war schon vor ein paar Stunden aus.«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Obwohl Percy seine Ansichten über Marys lange Abwesenheiten von zu Hause normalerweise nicht aussprach, kannte Ollie sie. Allerdings hielt Ollie Percys Zorn für ein Zeichen der Sorge um ihn und Matthew. »Weil sie nun mal Mary ist«, antwortete er mit leiser Stimme.
    Als Percy das Haus durch die Küche verließ, sagte er Sassie, sie brauche sich keine Sorgen zu machen; Matthew würde nicht mehr mit mysteriösen Verletzungen auftauchen. Dann fuhr er wutentbrannt nach Warwick Hall.

NEUNUNDDREISSIG
    L ucy inspizierte mit der Haushälterin im Speisezimmer den prächtig gedeckten Tisch, als Percy durch die Haustür und die große Eingangshalle in Richtung Treppe marschierte. Normalerweise benutzte er nicht den Vordereingang und stellte den Wagen auch nicht unter dem Portikus ab. Lucy eilte zu ihm. »Wo willst du hin? Was machst du jetzt schon zu Hause?«
    Ohne seine Schritte zu verlangsamen, antwortete Percy: »Ich muss mit Wyatt sprechen. Ist er in seinem Zimmer?«
    »Er macht Hausaufgaben. Was willst du von ihm?«
    Percy stapfte wortlos die Stufen hinauf. Lucy folgte ihm. »Die Gäste kommen in einer guten Stunde, Percy. Möchtest du dich noch umziehen?«
    In den zwei Jahren seit dem Tod seiner Mutter – sein Vater war wenige Monate zuvor gestorben – hatte sich Lucy zu einer vorbildlichen Gastgeberin entwickelt und genoss das Leben als Ehefrau eines der wichtigsten Männer in Texas. Früher hatte sie sich von ihrer Schwiegermutter einschüchtern lassen; jetzt nahm sie ihre Rolle als Herrin von Warwick Hall dafür umso ernster und bestellte neue Möbel und Teppiche, ließ die Wände frisch tapezieren und die modernsten Küchengeräte installieren. Dienstmädchen und Haushälterin trugen nun weiße Rüschenschürzen über den gestärkten grauen Uniformen, nicht mehr die Kittel und schwarzen Kleider wie bei Beatrice. Lucys gesellschaftliche Verpflichtungen als Percys Ehefrau und ihr Privatleben als Wyatts Mutter schienen sie vollkommen auszufüllen. Bisweilen mutmaßte
Percy sogar, dass Lucy dankbar war für das, was er ihr bot. Immerhin brauchte sie sich keine Sorgen übers Geld zu machen, weil er den großen Börsencrash vorhergesehen und Vorkehrungen getroffen hatte. Seit ihrer Schwangerschaft schliefen Lucy und Percy in getrennten Zimmern und zogen, ihrem oft ausgesprochenen Bedauern zum Trotz, nicht einmal ihren einzigen Sohn gemeinsam auf.
    Aus diesem Grund folgte Lucy ihrem Mann nun hinauf zu Wyatts Zimmer. »Percy, was um Himmels willen ist denn los?«
    »Nichts, was dich kümmern müsste, meine Liebe. Das ist Männersache.«
    »Seit wann betrachtest du deinen Sohn als Mann?«, fragte sie voller Sorge.
    Percy betrat das Zimmer seines Sohnes schweigend und schloss die Tür hinter sich. Wyatt lag tatsächlich auf dem Bett und lernte. Die Schule war ein permanenter Kampf für ihn, dem er sich jeden Tag aufs Neue stellte. Als sein Vater so unvermutet hereinkam, sah er ihn erstaunt an.
    »Steh auf«, wies Percy ihn an. »Du und ich, wir machen einen Ausflug.«
    »Gut«, sagte Wyatt und schwang die Beine über die Bettkante. Für einen Jungen mit dem Körperbau eines Bullen bewegte er sich bemerkenswert anmutig. Percy beobachtete, wie Wyatt die Bücher vom Bett in seinen Ranzen schob und die Tagesdecke glättete. Ordentlich schien er obendrein zu sein, dachte Percy. »Ich bin so weit«, verkündete er.
    Lucy begann, gegen die Tür zu hämmern. »Percy, was stellst du da drinnen mit Wyatt an?

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