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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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kannte seine Großmutter, die weit weg in Atlanta lebte, nicht. Sie wusste nur, dass es sie, als er ihre Hand ergriff, wie ein Blitz durchzuckte.
    Als Ersten umarmte sie Amos, der sie an Abraham Lincoln, ihren Lieblingspräsidenten, erinnerte, dann Mister Percy, der sie irgendwie seltsam ansah. Onkel Ollie räusperte sich und drehte Rachel Matt zu, weg vom faszinierten Blick Percys. »Matt, mein Junge, das ist Marys Großnichte Rachel Toliver«, stellte er sie vor. »Die beiden Wochen, die sie im Sommer bei uns verbringt, warst du jedes Mal bei deiner Großmutter in Atlanta, so dass ihr euch sozusagen nur am Bahnhof hättet begegnen können, unterwegs in entgegengesetzte Richtungen.«
    Offenbar handelte es sich um eine ungeschickte Bemerkung, denn Onkel Ollie wurde rot, und trotz ihres Interesses an Matt fielen Rachel die Blicke auf, die Tante Mary und Mister Percy wechselten, während sie unter ihrer sommerlichen Bräune erblassten. Da streckte ihr Matt lächelnd die Hand hin. »In ein paar Jahren werde ich wohl darauf achten müssen, dass ich in der richtigen Richtung unterwegs bin.«
    Unfähig, angemessen auf sein charmant-anerkennendes Grinsen zu reagieren, entzog sie ihm die Hand, senkte den Blick und fühlte sich trotz des auf Figur geschnittenen Kleids und der Schuhe mit den Absätzen sofort wieder wie das vierzehnjährige Schulmädchen, das sie war.
    »Opa hat nicht übertrieben; du bist tatsächlich das genaue Ebenbild deiner Großtante«, fuhr Matt fort, als hätte er ihre Verlegenheit nicht bemerkt. »Glaubst du, du wirst mit so viel Schönheit fertig?«
    »Genauso gut wie du mit der von deinem Großvater ererbten Attraktivität, denke ich«, erwiderte sie und erschrak über ihre als Kompliment gemeinte Koketterie. Zu ihrer Erleichterung lachten alle, und Matt schien beeindruckt.
    »Gut gebrüllt, Löwe«, sagte er, »aber ich glaube, du hast die schwierigere Aufgabe als ich. Schön, dich endlich kennenzulernen, Rachel Toliver. Viel Spaß bei dem Fest.« Als er sich mit einem Lächeln verabschiedete und sich zu einer Gruppe Kommilitonen von der University of Texas gesellte, fühlte Rachel sich, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben.
    Am Tisch mit der Bowle begegneten sie einander ein zweites Mal. »Wann fährst du wieder nach Hause?«, fragte er.
    Sie blinzelte. Nach Hause? Sie war doch zu Hause. »Leider schon morgen.«
    »Warum leider?«
    »Weil ich eigentlich nicht wegmöchte.«
    »Du hast kein Heimweh?«
    »Doch. Meine Familie fehlt mir, aber mit Tante Mary und Onkel Ollie geht es mir, wenn ich nicht hier bin, genauso.«
    Er reichte ihr einen Becher Bowle. »Zerbrich dir darüber mal nicht den Kopf. Du kannst dich glücklich schätzen, zwei Zuhause zu haben.«
    So würde sie es ihrer Mutter erklären, beschloss sie.
    Auf dem Nachhauseweg zur Houston Avenue erkundigte sich Tante Mary ganz beiläufig: »Und, was hältst du von Matt Warwick?«
    »Er ist toll«, antwortete sie, ohne zu zögern. »Einfach toll.«
    Tante Mary presste wortlos die Lippen zusammen.

ZWEIUNDFÜNFZIG
    I m August des folgenden Jahres begleitete Rachel ihre Eltern und Jimmy wie versprochen nach Colorado, wo sie auf einer Touristenranch hoch oben in den Rocky Mountains Ferien machten. Die Temperaturen in dieser atemberaubend schönen Landschaft waren eine angenehme Abwechslung zu den über 40 Grad, die in diesem Monat für gewöhnlich in Kermit herrschten. Doch wenn die mittlerweile fünfzehnjährige Rachel die schneebedeckten Gipfel betrachtete und die kühle Brise vom See auf ihrem Gesicht spürte, konnte sie an nichts anderes denken als an die Baumwolle, die in Somerset auf die Ernte wartete.
    »Du sehnst dich nach Somerset, stimmt’s?«, bemerkte ihr Vater, der neben ihr stand.
    »Ja, Sir«, bestätigte sie.
    Am ersten Schultag empfand sie ein ungewohntes Gefühl der Leere, als fehlte ihr ein zur Bewältigung des bevorstehenden Schuljahres wesentliches Element.
    »Das dürfen wir ihr nicht mehr antun, Alice«, hörte sie ihren Vater sagen, als sie unter dem Küchenfenster den Wasserhahn aufdrehte. »Es ist … als wäre ein Licht in ihr verloschen.«
    »Ich rede mit ihr«, versprach ihre Mutter.
    Alice wählte den folgenden Donnerstagabend für das Gespräch, an dem William länger im Laden bleiben musste und Jimmy bei einem Freund ein paar Häuser weiter war. Sie nahm Rachel das Geschirrtuch aus der Hand und dirigierte
sie zu einem Stuhl in der Küche. »Setz dich, Rachel. Ich möchte mich mit dir

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