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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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zweite Mary Toliver …«
    Alice schlug mit der Faust auf den Tisch. »Nein! Vergiss es. Vielleicht schaust du aus wie sie, handelst wie sie und möchtest sein wie sie, aber du bist und bleibst du , genauso Teil meiner Familie wie der der allmächtigen Tolivers. Kannst du dir vorstellen, wie es für mich ist, wenn ihr, du und dein Vater, mir immer wieder das Gefühl gebt, dass kein Tropfen meines Finch-Blutes in deinen Adern fließt?«
    »Mama, das wollen wir nicht …«
    »Tut ihr aber. Und du streust zusätzlich Salz in die Wunde, indem du das, was eigentlich deinem Vater zusteht, der sich ein Leben lang abgerackert hat und der im Alter ein würdiges Dasein verdient hätte, an dich reißt.«
    »Ich könnte einen Teil des Landes verkaufen«, schlug Rachel vor, »und das Geld Daddy geben.«
    »Er würde es nicht nehmen. Habe ich das denn nicht klar genug ausgedrückt? Somerset muss direkt an ihn gehen, wie deine Tante Mary es versprochen hat.«
    Rachel presste die Finger gegen ihre pochenden Schläfen. »Und wann und wie soll ich … den Weg freigeben?«
    »Jetzt, bevor sie ihr Testament umformuliert. Du musst Tante Marys Hoffnungen zunichtemachen. Sag ihr, du hättest das Interesse an der Landwirtschaft verloren und möchtest nicht mehr Agrarwissenschaften studieren.«
    »Ich soll im Sommer nicht mehr nach Howbutker fahren? Mit Tante Mary und Onkel Ollie brechen? Sassie, Mister Percy, Amos … und Matt nie wiedersehen? Aber sie sind meine Familie!«
    Erneut schlug Alice mit der Faust auf den Tisch. »Wir sind deine Familie, Rachel! Dein Daddy, Jimmy und ich. Und dies
ist dein Zuhause, nicht Howbutker. Wir sollten dir wichtiger sein als Tante Mary.«
    Rachel ließ den Kopf hängen. Schwer atmend grub sie die Fingernägel in den Stoff ihrer Jeans.
    »Ich weiß, das ist ein großes Opfer«, sagte ihre Mutter und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Doch du wirst es nie bereuen, wenn du siehst, wie dein Vater sich endlich auch an den schönen Dingen des Lebens erfreuen kann.«
    Rachel hob den Kopf. »Heißt das, ich muss auch meinen Garten aufgeben?«
    »Es wird nicht anders gehen, Liebes. Sonst glaubt dir dein Daddy nicht, dass du nicht mehr Landwirtin werden willst, und versucht, dich weiter nach Howbutker zu bringen.«
    Rachel schnürte es die Kehle zu. Ihren Garten aufgeben? Den Maschendrahtzaun entfernen und die Kaninchen und anderen Tiere hereinlassen? Dem Unkraut und Gras nicht mehr die Stirn bieten? Und noch schlimmer: Sie musste Tante Mary anlügen und ihr vorspielen, dass sie sich nichts mehr aus ihr und Onkel Ollie, aus Somerset, Howbutker und ihren Toliver-Wurzeln machte.
    Ihre Mutter ergriff ihre Hand und strich ihr über den Arm. Zum ersten Mal fiel Rachel auf, wie schwielig Alices Finger waren, und ihr wurde klar, was sie leistete, um die Familie satt und gesund, ihre Kleidung sauber und ihr Häuschen ordentlich zu halten – mit anderen Worten: ihre Armut zu verbergen, und das ohne die Annehmlichkeiten, die anderen Müttern die Hausarbeit erleichterten. Alice leistete sich kaum je etwas Neues für sich. Alles, was das knappe Budget überstieg, ging an ihren Mann und ihre Kinder.
    »Ich bitte dich nicht für mich selbst darum«, sagte Alice, »sondern für deinen Daddy.«
    »Das weiß ich, Mama.« Rachel hob die raue Hand ihrer Mutter an ihre Wange. Es war erst September, und ein ganzes
Schuljahr und noch eines und noch eines lagen vor ihr bis zum Abschluss, ohne dass sie sich auf die Sommerferien hätte freuen können. Rachel stand auf und schenkte ihrer Mutter ein Lächeln. »Heute Abend schreibe ich Tante Mary und Onkel Ollie, dass ich es mir anders überlegt habe, keine Farmerin mehr werden will und nicht mehr nach Howbutker komme.«

DREIUNDFÜZIG
    D addy, was machst du denn hier?«, fragte Rachel ihren Vater, der unvermittelt neben ihrem Tisch in der County-Bibliothek auftauchte, wo sie eine Woche nach ihrem Highschool-Abschluss auf der elektrischen Schreibmaschine die Aufnahmeunterlagen für die Universität ausfüllte. In die Rubrik »Gewünschte Fachrichtung« hatte sie »noch unentschieden« eingetragen. Es war Donnerstag, der Tag, an dem ihr Vater seine lange Mittagspause normalerweise für ein Schläfchen nutzte.
    »Deine Mutter hat gesagt, du wärst hier«, antwortete William. Er trug Sandalen mit Socken, nicht die Schnürschuhe mit den Einlagen wie hinter der Fleischtheke. »Sie meinte zwar, dass ich mir nicht die Mühe machen muss, zu dir zu gehen, aber ich wollte selber mit

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