Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
ein.«
»Gewinnst du deine Wetten normalerweise?«
»Fast immer«, antwortete er.
»Und wie kommt das?«
»Ich setze nur auf Dinge, die mir sicher erscheinen.«
Rachel lächelte bei der Erinnerung in sich hinein und schloss ihr Schminktäschchen. Damals war sie am folgenden Tag mit leichterem Herzen und seinem Taschentuch nach Oregon gereist, wo sich eine Niederlassung des Unternehmens befand. In den folgenden zwölf Jahren hatten sie einander immer verpasst, als wollte das Schicksal eine Begegnung verhindern.
Rachel fragte sich, ob sie ihn nach wie vor so attraktiv finden würde, oder ob er inzwischen Bauch oder Glatze bekam. Im Lauf der Zeit hatte ihre Schwärmerei für ihn nachgelassen, weil sie einen anderen Mann kennenlernte, der sie Matt Warwick vergessen ließ. Und Matt hatte sich mit einer kalifornischen Schönheit verlobt – »eine Debütantin aus San Francisco«, wie Tante Mary es ausdrückte. »Sehr hübsch, aber ich glaube, sie ist nicht die Richtige für Matt.«
Matt hatte nicht geheiratet, und Rachels Freund hatte sich aus ihrem Leben verabschiedet, so dass sie beide immer noch ungebunden waren wie damals in der Laube.
Als es klingelte, nahm sie rasch ihre Handtasche und das Sargkleid in der Klarsichthülle der Reinigung und eilte zur Tür, bevor Sassie aus der Küche kommen und Matt überreden konnte, zum Mittagessen zu bleiben. Auf dem Flur blickte Rachel in den Spiegel und verzog das Gesicht. Es war ihr nicht gelungen, die Ringe unter den Augen zu überschminken oder ihre Haare zu einer ordentlichen Frisur zu bändigen. Seufzend öffnete sie die Tür.
Sie fingen beide gleichzeitig zu lachen an. »Na, schau mal einer an«, begrüßte er sie.
»Lieber nicht«, erwiderte sie. »Normalerweise fruchten meine Bemühungen ums gute Aussehen mehr.«
»Nicht nötig. So viel Schönheit halte ich am Ende vielleicht gar nicht aus.«
Ihr Grinsen wurde breiter. »Du hast dich überhaupt nicht verändert, Matt Warwick.«
»Darf ich das als positiv interpretieren?«
»Ja, sogar als sehr positiv.«
Er reichte ihr lachend die Hand, um sie hinaus auf die Veranda zu ziehen. »Ich habe da gerade eine ganze Brigade mit Töpfen auf dem Weg hierher gesehen. Sollen wir uns wegschleichen, bevor sie dich überfallen?«
»Ja, bitte«, antwortete sie, und sie flohen Hand in Hand zu einem Range Rover mit der Aufschrift »Warwick Industries«. Als sie losfuhren, lehnte sie sich zurück und stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Lange Nacht, was?«, fragte Matt.
»Eine der längsten meines Lebens. Wie geht’s deinem Großvater?«
»Schwer zu beurteilen. Er ist der härteste Mann, den ich kenne – sogar noch mit neunzig –, aber Marys Tod könnte ihm das Genick brechen.«
»Das hatte ich befürchtet. Sie standen sich sehr, sehr nahe.«
»Noch viel mehr«, sagte Matt.
»Wie meinst du das?«
»Das erzähle ich dir beim Mittagessen. Und starr mich nicht so an; ich muss mich aufs Fahren konzentrieren.«
Rachel wurde rot. Sie stellte fest, dass er ihre Erwartungen übertraf: Er war reifer und robuster als damals, wie hartes, poliertes Holz, und die ersten grauen Strähnen an seinen Schläfen gefielen ihr. »Eins würde mich interessieren, Matt. Wie ist es dir gelungen, dich so lange von keiner Frau einfangen zu lassen?«
Er schmunzelte. »Du zuerst. Ich habe gehört, dass es da jemanden gab … einen Piloten der Luftwaffe.«
»Vorbei. Er war in der Reese Air Force Base in der Nähe von Lubbock stationiert. Ich hab ihn vom Straßenrand aus hergewunken, weil mir das Benzin ausgegangen war.«
Matt runzelte die Stirn. »Einer so weitsichtigen jungen Frau wie dir geht das Benzin aus?«
»Ja, kann passieren. Du glaubst gar nicht, wie attraktiv ein Offizier der US-Luftwaffe einer jungen Frau erscheint, wenn sie um zehn Uhr abends mutterseelenallein an einer langen, verlassenen Straße steht.«
»Und was wolltest du dort? Oder besser gesagt: Was wollte er dort?«
»Ich war nach einem langen Erntetag auf dem Heimweg von den Feldern, und am Morgen hatte ich nicht auf die Benzinuhr geschaut. Er ist mit dem Auto rumgefahren, um sich abzulenken, weil einer seiner Kameraden am Nachmittag bei einem Übungseinsatz ums Leben gekommen war. Er hat mich zum Benzinholen zur nächsten Tankstelle und wieder zurück zu meinem Wagen gebracht.«
»Und dann hat er dich nach Hause begleitet.«
Rachel nickte. »Ja.« Sie fingerte an dem Taschentuch herum. »Aber es hat nicht funktioniert. Unsere Jobs ließen sich nicht miteinander
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