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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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ausfallen würde. Am Morgen hatte Amos sich telefonisch bei den Anwälten in Dallas erkundigt, wie lange der Verkauf noch geheim gehalten werden solle. Lange lasse sich das ohnehin nicht mehr machen, hatten sie geantwortet, wenn die Medien Wind vom Tod Marys bekamen.
    Als Amos den Wagen vor dem Toliver-Haus abstellte, trat Henry mit einer schwarzen Armbinde heraus, um sie zu begrüßen und Rachels Koffer hineinzutragen. »Jetzt komme ich allein zurecht, Amos«, meinte Rachel, seine Mappe unter dem Arm. »Fahr nach Hause und ruh dich ein bisschen aus. Sei mir nicht böse, wenn ich dir das sage, aber du siehst aus, als könntest du’s vertragen.«
    »Ja, du hast recht. Allerdings noch ein Rat zum Schluss: Sprich vor der Beerdigung nicht mit der Presse … das ist eine Frage der Schicklichkeit. Ich denke, das wäre Marys Wunsch gewesen.«
    »Danke für den Hinweis.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Mach ein Nickerchen und schau hinterher zum Essen bei uns vorbei. Wir laden Percy und Matt auch ein. Die wollen sicher gerne bei uns sein.«
    Beim Einlegen des Gangs beobachtete Amos im Rückspiegel, wie sie die Verandastufen hinaufging, den Rücken gerade und den Kopf hoch erhoben – als spürte sie bereits das Gewicht der Toliver-Krone. Mit einem tiefen Seufzer begann er wieder zu beten: Lieber Gott, steh uns bei.
    Wie immer begrüßte Sassie Rachel an der Tür mit einer herzlichen Umarmung. Dabei verzog sie traurig das glatte schwarze Gesicht mit der drahtigen grauen Haarkrause. »Ach, Miss Rachel, Gott sei Dank sind Sie hier«, jammerte sie. »Es ist da drüben passiert«, fügte sie hinzu, als sie sich voneinander lösten, und deutete auf zwei Stühle mit breiten
Armlehnen und ein Tischchen. »Da ist sie zusammengebrochen. Ich hätte sie nicht allein lassen dürfen, wo sie sich so komisch verhalten hat.«
    Rachel trat an den Tisch. »Wieso komisch, Sassie?«
    »Sie hat doch nie Alkohol getrunken, nicht mal an Weihnachten, wo alle sich ein Gläschen Eierlikör genehmigen. Aber wie sie so gegen Mittag aus der Stadt zurückgekommen ist, hat sie sich genau da, wo Sie jetzt stehen, in die pralle Sonne gesetzt und sich von mir eine Flasche Champagner bringen lassen.«
    Rachel runzelte die Stirn. Dass Tante Mary Alkohol getrunken hatte, und noch dazu am helllichten Mittag, auf der Veranda und im heißesten Monat des Sommers, war in der Tat merkwürdig. »Vielleicht gab’s was zu feiern.«
    »Ich wüsste nicht, was. Außerdem hätte Miss Mary sowieso anders gefeiert. Und das war nicht das Einzige. Zuvor hat sie Henry in den Speicher raufgeschickt, damit er den alten Militärkoffer von Mister Ollie sucht und aufsperrt. Darüber hat sie dann phantasiert, wie ich sie gefunden hab. ›Ich muss in den Speicher …‹, hat sie immer wieder gesagt. Ich dachte, das liegt am Champagner, aber sie wirkte ganz nüchtern, als sie Ihren Namen gerufen hat, Miss Rachel.«
    »Das hat Amos mir erzählt«, bestätigte Rachel mit feuchten Augen. »Was wollte Tante Mary denn aus dem Koffer?«
    Sassie fächelte sich mit ihrer Schürze Luft zu. »Miss Mary war doch so verschwiegen. Wie ich sie gefragt hab, ob Henry den Koffer für sie runterbringen soll, hat sie fast einen Anfall gekriegt und mich angeblafft, dass nur sie weiß, was sie sucht.«
    Rachel überlegte kurz. »Ich glaube, Tante Mary war sehr krank und ahnte, dass sie bald sterben würde, Sassie. Deshalb ist sie auch nach Dallas gefahren, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Wahrscheinlich hat sie dort einen Arzt aufgesucht. Und den Koffer hat sie sich von Henry aufmachen lassen,
um etwas Persönliches herauszunehmen, das nach ihrem Tod nicht gefunden werden sollte.«
    »Nach dem ganzen Wahnsinn klingt das ziemlich vernünftig«, meinte Sassie.
    Rachel fasste sie am Arm. »Gehen wir rein. Da kannst du mir den Rest der Geschichte bei einem Eistee erzählen.«
    Am Küchentisch, zwei Gläser gekühlten und gesüßten Eistee vor ihnen, erklärte Sassie: »Ich hätte wissen müssen, dass was nicht stimmt, als Miss Mary die Stadt verlassen hat, ohne Mister Percy was zu sagen. Mister Amos war auch eingeschnappt deswegen.«
    »Wie lange war sie weg?«
    »Fast vier Wochen.«
    Rachel nahm einen Schluck Tee. »Was ist sonst noch hier passiert, das meine Vermutung bestätigen könnte, Sassie?«
    Sassie schnaubte. »Zum Beispiel, dass sie Miss Addie so kurzfristig entlassen hat. Das hätte mich stutzig machen müssen. Und dann waren da noch ihre Perlen, die sie immer angelegt hat, wenn sie

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