Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Bank? Allzu viel kann das ja nicht mehr sein, weil Vernon jeden Cent zur Abzahlung der Hypothek gebraucht hat.«
»Tja, sieht ganz so aus«, bestätigte der Anwalt und warf einen Blick in das Sparbuch in seiner Hand. »Allerdings besitzt du das Recht, in dem Haus zu wohnen, und hast Anspruch auf einen zwanzigprozentigen Anteil an den Erlösen, die das Land abwirft, bis zu deiner eventuellen Neuverheiratung oder deinem Ableben. Das legt Vernon ausdrücklich in seinem Testament fest.«
»Wie großzügig von ihm«, meinte Darla mit schmalen Lippen.
Mary saß kerzengerade da, die Hände zu Fäusten geballt, bemüht, sich ihre Erleichterung und Freude nicht anmerken zu lassen. Die Plantage gehörte ihr! Ihr Vater hatte sie in dem Wissen, dass seine Frau sie verkaufen würde, der einzigen Toliver vermacht, die sich nie davon trennen würde. Da machte es nichts, dass Miles durch das Testament die Handlungsvollmacht über Somerset erhielt, bis Mary mit einundzwanzig Jahren volljährig wurde. Und des zwanzigprozentigen Anteils ihrer Mutter wegen würde er sich um die möglichst gute Verwaltung und pünktliche Abzahlung der Hypothek bemühen.
Ihr Bruder stand auf und begann, hektisch im Zimmer auf und ab zu gehen, wie er es immer tat, wenn er aufgeregt war. »Soll das heißen …«, er wandte sich dem Anwalt zu, »… dass das Einkommen meiner Mutter den Rest ihres Lebens vom Erfolg der Plantage abhängt und sie nicht einmal ihr angestammtes Zuhause ihr Eigen nennen darf?«
Emmitt ordnete Papiere, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. »Indem er das Haus Mary anvertraut, stellt er
sicher, dass deine Mutter immer ein Dach über dem Kopf haben wird, Miles. In ähnlich gelagerten Fällen wird das Haus oft unklugerweise veräußert, und das Geld aus dem Verkauf ist dann schnell verbraucht. Außerdem darf ich darauf hinweisen, dass ein zwanzigprozentiger Anteil an den Erlösen keine Kleinigkeit ist. Bei den gegenwärtigen hohen Baumwollpreisen, besonders wenn es zum Krieg kommen sollte, sind für Somerset riesige Gewinne zu erwarten. Was bedeutet, dass deine Mutter sich nicht einschränken muss.«
»Die Kosten und die Möglichkeit einer Missernte sollten wir nicht außer Acht lassen«, flüsterte Darla.
Emmitt sah Miles errötend über den Rand seiner Brille hinweg an. »Darum wird sich dein Sohn kümmern müssen …« Der Anwalt zögerte einen Moment, bevor er seinen Stift auf den Schreibtisch legte und sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. »Vernon hatte offenbar das Gefühl, sein Testament gar nicht anders formulieren zu können.«
Miles fragte voller Verachtung: »Ach, tatsächlich? Und warum?«
Emmitts Blick wanderte zu Darla. »Er hatte Angst, du würdest die Plantage verkaufen, meine Liebe – und genau das hast du ja auch gerade vorgeschlagen. So, wie die Dinge nun geregelt sind, wirst du von allem, was Somerset abwirft, wie zu Vernons Lebzeiten einen Anteil erhalten, und gleichzeitig ist gesichert, dass Plantage und Haus in den Händen der Tolivers bleiben.«
»Mit dem einzigen Unterschied, dass ich nun nicht mehr von meinem Mann, sondern von meiner Tochter abhängig sein werde«, sagte Darla mit tonloser Stimme.
»Und ich kann meine Pläne für die nächsten fünf Jahre vergessen«, fügte Miles mit vor Zorn bebender Oberlippe hinzu.
Darla löste ihre Hände von den Armlehnen des Stuhls und
legte sie in den Schoß. »Mein Mann hatte also Angst, dass ich die Plantage verkaufen oder schlecht führen würde. Ist das der Grund, warum er – wie hat er das noch mal ausgedrückt? – sein Vermögen nicht ›gerechter und großzügiger verteilen‹ konnte?«
»Soweit ich das beurteilen kann, hast du die Beweggründe deines Mannes richtig verstanden, Darla. Vernons Ansicht nach ist Mary die Toliver, die sich am besten für die Leitung der Plantage eignet. Sie scheint diese Eignung zusammen mit ihrer Hingabe und Loyalität gegenüber Somerset und dem Leben, das der Besitz mit sich bringt, geerbt zu haben. Er war offenbar überzeugt davon, dass sie – zu euer aller Nutzen – für profitable Abläufe sorgen und den Besitz für die nächste Generation zusammenhalten kann, auch für deine Kinder, Miles.«
Miles trat mit angewidert verzogenem Gesicht hinter den Stuhl seiner Mutter, um ihr tröstend eine Hand auf die Schulter zu legen.
»Verstehe …«, sagte Darla mit emotionsloser Stimme, als sie den Schleier hob und ihn unter die schwarzen Federn ihres riesigen Huts schob. Sie war eine ausgesprochen
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