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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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Lass uns nicht allein! «, schluchzte sie und begann, die starre Gestalt auf der Chaiselongue zu rütteln.
    Am Abend merkte sie im düsteren Licht des vorderen Salons, dass jemand sie von der mit schwarzen Tüchern verhängten Tür aus beobachtete: Percy Warwick. Seine Miene war ernst; sie interpretierte sie als missbilligend. Vermutlich wussten er und Ollie von Miles über den Inhalt des Testaments Bescheid, und bestimmt waren sie der gleichen Meinung wie ihr Bruder.
    Die drei waren eine verschworene Gemeinschaft – Miles Toliver, Percy Warwick und Ollie DuMont –, unzertrennlich von Kindesbeinen an; sie führten die Freundschaft ihrer Großväter und Väter fort. Am offenen Grab hatte Mary zu ihnen hinübergeschaut. Wie unterschiedlich sie doch waren! Der klein gewachsene, ein wenig pummelige, immer fröhliche Ollie, der ewige Optimist. Der hoch aufgeschossene, schmale, ernste Miles, immer auf der Suche nach einer Sache, für die er kämpfen konnte. Und der umsichtige und vernünftige Percy, der größte und attraktivste von ihnen, sozusagen der Apollo, der über sie alle wachte. Plötzlich hatte Mary so etwas wie Neid verspürt. Wie tröstend solche Freunde für sie gewesen wären. Ihre einzigen Freunde waren ihr Vater und Großvater gewesen.
    »Darf ich reinkommen?«, fragte Percy, dessen Stimme in der Sommerdämmerung tief und wohltönend klang.
    »Hängt davon ab, was du mir sagen willst.«
    Wieder dieses belustigte Zucken seiner Lippen. Mary und Percy unterhielten sich nie ganz normal, sie waren Sparringspartner, schon seit ein paar Sommern, in denen die Jungen ihre Ferien von Princeton zu Hause verbrachten. Wie Miles und Ollie hatte Percy seinen Abschluss im Juni gemacht und im Unternehmen seines Vaters angefangen.
    Er betrat grinsend den Raum. »Nun halt mal deine spitze Zunge im Zaum. Ich nehme an, du brauchst keine Lampe?«
    »Stimmt.«
    Wie attraktiv er ist, dachte sie widerwillig. Die Dämmerung schien den Glanz seiner blonden Haare und die Bräune seiner Haut zu verstärken. Er hatte den ganzen Sommer über mit den Holzfällern im Freien gearbeitet, und das sah man seinem schlanken, durchtrainierten Körper an. Die Mädchen hatten ihm sicher zu Füßen gelegen … Ostküstenblaublute mit Porzellanteint. Sie hatte Miles und Ollie mehr als einmal über seine Eroberungen lachen hören.
    Mary lehnte sich in ihrem Sessel zurück, legte den Kopf auf die Lehne und schloss die Augen. »Ist Miles wieder da?« Ihre Stimme klang traurig, müde und heiser.
    »Ja, er ist mit Ollie oben bei deiner Mutter.«
    »Bestimmt hat er dir von dem Wortlaut des Testaments erzählt, und natürlich missbilligst du ihn.«
    »Natürlich. Dein Vater hätte Haus und Plantage deiner Mutter vermachen sollen.«
    Mary hob verärgert, aber auch überrascht den Kopf. Percy hielt sich aus den Angelegenheiten anderer Leute für gewöhnlich heraus. »Wie kannst du dir eine Meinung zu dem Thema erlauben?«
    Er trat näher an ihren Sessel heran und musterte sie ernst aus den Schatten heraus. »Du, dein Bruder und deine Mutter, ihr seid mir sehr wichtig. Deswegen.«
    Das machte sie nur noch wütender. Sie wandte den Kopf ab, damit er nicht merkte, wie nahe sie den Tränen war. »Tja, dann hoffe ich, dass du dir genug aus uns machst, um dich in Zukunft eines Urteils zu enthalten, Percy. Mein Vater wusste genau, was er tat.«
    »Sagst du das nur, um deinen Vater zu verteidigen, oder weil du ein schlechtes Gewissen hast, Somerset zu erben?«
    Mary zögerte, denn am liebsten hätte sie ihm ihre Gefühle anvertraut. Doch sie fürchtete, dass er dann noch weniger von ihr halten würde. »Was denkt mein Bruder?«, erkundigte sie sich schließlich, ohne seine Frage zu beantworten.
    »Er glaubt, dass du außer dir bist vor Freude.«
    Nun ist die Katze also aus dem Sack , dachte sie, und die Erkenntnis versetzte ihr einen Stich. Sie hatte sich so große Mühe gegeben, ihre Begeisterung zu verbergen, für die Mutter und Bruder sie hassen würden. Tränen unterdrückend, sprang sie vom Sessel auf, um an eines der Fenster zu treten. Draußen hing der fahle Mond am Himmel, der vor ihren feuchten Augen verschwamm.
    »Gypsy …«, hörte sie Percy murmeln, und bevor sie es sich versah, stand er schon bei ihr und drückte ihr nasses Gesicht an seine Brust. Nun sprudelte es nur so aus ihr heraus.
    »Miles gibt mir die Schuld dafür, dass Papa das Testament so verfasst hat, stimmt’s? Mama auch. Ich habe sie genauso verloren wie Papa, Percy.«
    »Es war ein

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