Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
auf dem Laufenden.«
Eine dreißigminütige Suche nach dem grünen BMW im Einzugsgebiet der Stadt blieb ohne Ergebnis, und Matts Sekretärin teilte ihm mit, dass Rachel Toliver keines der drei von ihm genannten Hotels aufgesucht habe. Besorgt lenkte Matt den Range Rover in Richtung Houston Avenue, um seinen Großvater zu befragen.
SECHSUNDSECHZIG
M att hastete die Treppe zum oberen Arbeitszimmer hinauf, in dem sein Großvater sich in letzter Zeit immer öfter aufzuhalten schien. Seit Marys Tod und den tragischen Ereignissen danach hatte er Energie und Appetit verloren, und auch im Country Club ließ er sich nicht mehr blicken. Im Büro tauchte er nur noch selten auf; er hatte zwei Monate lang die Holzlager des Unternehmens nicht inspiziert, und dienstags ging er nicht mehr zum Kaffeeklatsch der »Old Boys« im Courthouse Café.
Sein geistiger und sein körperlicher Zustand bereiteten Matt und Amos Sorge.
Percy hob erstaunt die Augenbrauen, als sein Enkel Stunden früher als üblich sein Arbeitszimmer betrat.
»Welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen?«, erkundigte er sich, die Füße in Hauspantoffeln, von seinem Ruhesessel vor dem Kamin aus. Matt sah das Tablett mit erkaltender Nudel-Hühnersuppe – die Lieblingsspeise seines Großvaters – und dem angebissenen Schinkensandwich.
Matt, dem der Magen knurrte, nahm sich das Sandwich und biss hinein.
»Rachel Toliver ist … war … in der Stadt«, teilte er seinem Großvater mit.
Percy hob den Kopf. »Woher weißt du das?«
»Curts Frau hat ihn vom Grundbuchamt aus angerufen, und er hat mich informiert. Seitdem suche ich ohne Erfolg nach ihrem Wagen.« Nachdem er Percys Sandwich mit
zwei Bissen verspeist hatte, leerte er auch das Glas warm gewordenen Eistee, wischte sich den Mund ab und rückte einen Stuhl heran. »Marie sagt, Rachel hätte sich über einen Grundstücksverkauf von Mary DuMont an dich im Jahr 1935 erkundigt. Angeblich war sie ziemlich aufgeregt.«
Percy wurde blass.
»Mir war nicht klar, dass die Fabrik am Sabine River auf von Mary erworbenem Grund errichtet wurde«, fuhr Matt fort. »Woher weiß Rachel davon? Und wieso interessiert sie sich dafür?«
Percy ließ seufzend den Kopf gegen die hohe Rückenlehne seines Sessels sinken. »Ach, Matt …«
»Was ist, Opa? Was läuft da?«
»Ich glaube, wir haben ein Problem. Wahrscheinlich hat Rachel die Unterlagen gefunden, die Mary am Tag ihres Todes vernichten wollte.«
»Was für Unterlagen?«
»Die in dem Militärkoffer im Speicher, den Henry für Mary öffnen sollte. Wir wissen von Sassie, dass Mary unbedingt in den Speicher hinaufwollte. Wahrscheinlich hat Sassie das auch Rachel erzählt, und die ist dann raufgegangen, weil sie etwas Wichtiges da oben vermutete. Amos sagt, als er Rachel am Abend des Unfalls in ihr Zimmer brachte, hätten auf ihrem Bett verstreut Papiere gelegen … aus einem grünen Lederkästchen, von dem ich weiß, dass es Mary gehörte …«
»Worum handelt es sich? Wieso ist Rachel deshalb ins Grundbuchamt?«
»Amos hat eines der Dokumente als Vernon Tolivers Testament erkannt. Darin vermacht Vernon seinem Sohn Miles ein Grundstück am Sabine River …«
Matt runzelte verwirrt die Stirn. »Moment. Du hast doch gesagt, Miles hätte nichts bekommen und Mary alles.«
»Das habe ich nie behauptet. Mary und ich haben dieser Mutmaßung lediglich nie widersprochen. Obwohl im Endeffekt kein großer Unterschied zwischen jener Version und der Realität bestand.«
Matt rückte mit dem Stuhl näher an Percy heran. »Habe ich das richtig verstanden? William wusste also nicht, dass sein Vater dieses Stück Land geerbt hatte?«
»Genau.«
»Man hat ihm diese Information bewusst vorenthalten?«
»Ja.«
»Genauer gesagt, Mary hat das getan.«
»Ja.«
Matt bekam ein flaues Gefühl im Magen. »Und jetzt kennt Rachel die Wahrheit und weiß, dass eine Lüge dazu beigetragen hat, einen Keil zwischen sie und ihre Familie zu treiben?«
»Scheint so.«
»Unsere Fabrik liegt auf dem Land, das Miles seinerzeit geerbt hat?«
»Ja.«
»Und wie ist Mary an diesen Boden gekommen, so dass sie ihn dir verkaufen konnte?«
Als Percy sich mit der Hand, die zahlreiche Altersflecken zierten, übers Gesicht wischte, wirkte er plötzlich wie ein Greis. »Ich fürchte, das erklären die anderen Papiere in dem Kästchen. Amos meint, er hätte zwei Briefe gesehen … einen mit meiner Schrift und einen anderen, den Rachel zu schnell weggeräumt hat, als dass er einen genaueren
Weitere Kostenlose Bücher