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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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Pierce-Arrow, der steht im Schatten unter den Bäumen. Warte dort auf mich.«
    Das glänzende, windschnittige Automobil mit dem offenen Verdeck fiel auf dem Parkplatz auf wie ein Vollblüter unter Eseln. Mary wartete niedergeschlagen auf der Beifahrerseite, ohne die Eleganz des Fahrzeugs richtig wahrzunehmen. Die Freude über ihre Heimkehr war verpufft; nun fürchtete sie die erste Begegnung mit ihrer Mutter und Miles. Wie dumm von ihr, den Moment herbeizusehnen, wenn sie ihn vom Zugfenster aus sehen würde! Sie hatte sich ausgemalt, mit ihm im Einspänner nach Hause zu fahren und sich dabei den örtlichen Klatsch und die Neuigkeiten von der Plantage anzuhören. Fast hatte sie sogar gehofft, dass ihre Mutter froh wäre über ihr Kommen und sie wieder eine echte Familie sein könnten, bevor Miles in den Krieg zog.
    »Steht meine Mutter unter ärztlicher Aufsicht?«, fragte Mary, während Percy ihr Gepäck im Wagen verstaute. »Ist sie in Behandlung?«
    »Doc Goddard betreut sie, doch leider sind seine Möglichkeiten auf diesem Gebiet begrenzt. Er hat zu völliger Abstinenz geraten, für die Miles und Sassie seitdem sorgen.«
    »Oje«, stöhnte Mary, die sich vorstellen konnte, was für eine Herkulesaufgabe das war. »Und, ist sie auf dem Weg der Besserung?«
    »Sie hat das Verlangen nach Alkohol noch nicht besiegt, aber immerhin ist keiner mehr in ihrem Körper. Miles lässt sie nicht aus den Augen, um sicherzustellen, dass sie keine Flasche in die Finger kriegt. Er und Sassie wechseln sich ab, und meine Mutter löst sie ab, wenn die beiden sie darum bitten. Manchmal mussten sie deine Mutter sogar ans Bett fesseln, wenn sie keine andere Möglichkeit mehr sahen, selbst ein paar Stunden Ruhe zu bekommen, oder wenn Miles draußen auf der Plantage gebraucht wurde. Tut mir leid, Mary. Ich erzähle dir das nur, damit du auf das Schlimmste gefasst bist. Du solltest wissen, was dir bevorsteht.«
    Eine schwere Last legte sich auf Marys Brust. »Es befindet sich jetzt bestimmt kein Alkohol mehr im Haus?«
    »Nein, was sie nicht getrunken hat, ist beseitigt. Allerdings sind immer noch Flaschen im und ums Haus herum versteckt.« Er öffnete die Tür auf der Beifahrerseite. »Ich hab Sachen dabei, die du gegen den Staub über Kleidung und Hut ziehen kannst, und auch eine Schutzbrille. Ich selber trage nur die Brille. Der Staub ist um diese Jahreszeit ziemlich lästig.«
    »Zu warm. Außerdem möchte ich was von der Landschaft sehen.«
    »Dann versuche ich, nicht schneller als fünfzig Stundenkilometer zu fahren.«
    Mary lauschte fasziniert, wie der Motor unter der langgezogenen, glänzend roten Haube zum Leben erwachte. Bis dahin war sie lediglich in einem Automobil gefahren – in Richard Bentwoods englischem Rolls-Royce. »Hoffentlich hat
Miles kein gutes Geld in eins von diesen Dingern investiert«, bemerkte Mary verächtlich, als sie unter den bewundernden Blicken der auf dem Bahnsteig Wartenden losfuhren.
    Percy kicherte. »Nein, du kennst doch Miles. Für ihn sind Automobile ein weiteres Beispiel für die Verkommenheit des Kapitalismus.« Percy lenkte den Wagen auf die Straße nach Howbutker. »Übrigens war es ernst gemeint, als ich dich zu Hause willkommen geheißen habe.«
    »Eigentlich steht es dir nicht zu, mich so zu begrüßen, wenn du uns bereits in einem Monat auf unabsehbare Zeit verlassen wirst.« Sie fügte nicht hinzu: Vielleicht für immer , obwohl sie genau das fürchtete. »Mein Bruder und seine Theorien! Er hat dich und Ollie dazu überredet, stimmt’s?«
    »Ollie war der Meinung, dass ihn jemand begleiten sollte, um auf ihn aufzupassen, Gypsy.«
    »Und wohin Miles und Ollie gehen, gehst auch du – um auf beide aufzupassen.«
    »So könnte man es ausdrücken.«
    Der Kummer über die sinnlose Entscheidung der Männer drohte sie zu überwältigen, und Wut auf Miles stieg in ihr auf. Wie konnte er seinen besten Freunden und deren Familien so etwas antun? Wie konnte er die Plantage und ihre Mutter in diesem Zustand im Stich lassen?
    »Was soll aus diesem Ding werden, wenn ihr nach Europa geht?«, erkundigte sie sich.
    »Ich verkaufe den Wagen entweder oder gebe ihn Dad zur Pflege, bis ich wieder da bin. Mutter weigert sich, ihn zu fahren, aber Dad hat nichts gegen eine gelegentliche Spritztour, damit die Räder auch weiter gut laufen.«
    Plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen, die sie nur unterdrücken konnte, indem sie den Blick auf die Landschaft gerichtet hielt. Nach einer Weile sagte sie: »Gib ihn

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