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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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Er könnte einen Menschen zerbrechen wie einen Zahnstocher. Zum Glück sind seine Wutanfälle nie grundlos.
    Grundlos …
    »Versuch ja nicht, die Bemühungen meines Vaters, deiner Familie zu helfen, als Egoismus zu interpretieren«, zischte er, und seine Augen blitzten in seinem geröteten Gesicht wie Eis. »Wenn du das glaubst, bist du noch verbohrter, als ich dachte.«
    »Ihm müsste doch klar sein, dass er einen solchen Vorschlag nicht hinter meinem Rücken machen kann«, erwiderte Mary und wand sich in Percys schmerzlich festem Griff. »Er weiß, was die Baumwolle meinem Vater bedeutet hat. Genau deshalb hat er Somerset mir und nicht Miles hinterlassen!«
    »Vielleicht glaubt Dad ja, dass du nicht so besessen bist von Somerset wie dein Vater. Vielleicht denkt er, du als Frau würdest dir noch etwas anderes vom Leben erwarten als eine
Plantage voller Ungeziefer und ein altmodisches Bedienstetenheer. Vielleicht meint er, dass Somerset, weil du mich heiraten wirst, sowieso irgendwann mit Bäumen bepflanzt wird.«
    Sie machte große Augen. »Wie bitte?«
    »Du hast meine Worte gehört.«
    »Dich heiraten?« Sie starrte ihn entgeistert an. »Somerset mit Bäumen bepflanzen? Du machst Scherze, stimmt’s?«
    »Klingt es nach einem Scherz?«
    Er streckte die Hand nach ihr aus. Sie war so entsetzt über die Absurdität dessen, was er gesagt hatte, dass ihr Mund offen stand, als er sie küsste. Sie wehrte sich und versuchte, ihn wegzuschieben; sie kreischte und prustete, ohne Erfolg. Die junge Frau in ihr war nun stärker als das keusche Mädchen, das Richards Avancen widerstanden hatte. Ihren Körper durchzuckten nie gekannte Gefühle, und ihre Sinne erwachten. Sie warf Zurückhaltung und Schicklichkeit über Bord und fügte sich in alles, was angesichts ihrer Kleidung möglich war. Erst nach einer geraumen Weile fanden sie beide wieder in die Gegenwart zurück, und sie schmiegte sich zufrieden und mit geröteten Wangen in seine Arme. Ihr Reisekostüm war zerknittert, ihr Haar zerzaust, ihr Mund wund, und ihr Hut lag irgendwo im Staub der Straße. »Du gütiger Himmel«, seufzte sie, ohne den Kopf von seiner Schulter zu heben.
    »Willst du dir immer noch weismachen, dass wir nicht füreinander bestimmt sind?«
    Nein, das wollte sie nicht, denn nun waren alle Dämme gebrochen – das wussten sie beide. Doch es durfte nicht sein. »Trotzdem«, erklärte sie. »Ich kann dich nicht heiraten, Percy. Das ist mein Ernst.«
    »Warten wir’s ab, wie du zu der Frage stehst, wenn ich aus Europa zurück bin und du gesehen hast, was es bedeutet, Verantwortung für eine Plantage mit zweitausend Hektar und mehrere Hundert Pächterfamilien zu tragen, gegen den
Baumwollkapselkäfer anzukämpfen und dafür zu sorgen, dass der Aufseher nüchtern bleibt. Ganz zu schweigen von den Problemen deiner Mutter und vom Geldmangel. Ich wünschte, ich könnte dich guten Gewissens vor meiner Abreise heiraten, aber …« Er küsste sie auf die Stirn und ließ den Satz unvollendet. »Wenigstens wirst du Mutter und Dad haben, die auf dich aufpassen, solange ich weg bin.«
    »Was für eine Arroganz!«, zischte Mary und löste sich aus seiner Umarmung. »Und was ist, wenn ich bei deiner Rückkehr immer noch die gleiche Einstellung habe?«
    »Hast du nicht.« Er lächelte, nicht selbstgefällig wie Richard Bentwood, sondern im unerschütterlichen Wissen um ihre geheimsten Gefühle.
    Sie rutschte auf ihren Sitz und strich sich den Rock glatt. »Schlag dir das aus dem Kopf, Percy Warwick. Es ist nicht möglich.«
    »Doch«, erwiderte er und ließ den Motor an.
    Mary schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen, als er den Wagen zurück auf die Straße lenkte. Jetzt kannte sie den Feind in ihrem Innern, der weit heimtückischer war als der Baumwollkapselkäfer, tödlicher als Hagel, Überschwemmungen oder Dürrezeiten und furchteinflößender als ein Zusammenschluss von Bostoner Bankern, die es darauf abgesehen hatten, ihr Somerset wegzunehmen. Nun wusste sie, was hinter ihrer merkwürdigen Abneigung gegen Percy in den vergangenen Jahren steckte. Er besaß die Macht, ihre Liebe zu wecken und ihren Willen dem seinen zu unterwerfen. Die Ehe mit ihm würde bedeuten, ihre Interessen zu vereinen und die Warwick-Wälder auf Kosten von Somerset auszudehnen. Sie würde in der Warwick-Identität aufgehen und das Besondere verlieren, das sie zur Toliver machte. Ihre Kinder würden als Warwicks aufwachsen, und die Linie der Tolivers würde verschwinden. Miles war

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