Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
Vom Netzwerk:
hätte ich aus dem Feld geschlagen.«
    »Da hast du dich getäuscht. Tut mir leid, Richard.«
    »Ich fürchte, irgendwann wirst du es bereuen, meine Liebe.«
    Endlich hielt der Zug, und Mary stieg aus, um die heiße, schwüle Luft ihrer Heimatstadt einzuatmen, während sie den Blick auf der Suche nach Miles schweifen ließ. Es war Samstag; der Bahnhof wimmelte von Menschen. Sie begrüßte den Bahnhofsvorsteher sowie einige Farmer und Leute aus dem Ort, die sie kannte, mit einem Nicken, darunter auch die Mutter einer früheren Klassenkameradin. War es wirklich erst ein Jahr her, dass sie diese Frau das letzte Mal hier gesehen hatte, als sie auf Miles wartete, der von Princeton zu einem Besuch seines kranken Vaters und seiner Mutter nach Hause kam? In der Houston Avenue war alles für seine Ankunft vorbereitet gewesen, der Tisch gedeckt, der Champagner gekühlt und das Haus voller Frühlingsblumen. Bereits einen Monat später war ihr Vater gestorben und ihrer aller Leben nicht mehr dasselbe gewesen.
    »Guten Morgen, Mrs Draper«, sagte Mary. »Sie wollen wieder Sylvie in Kalifornien besuchen wie jedes Jahr, nehme ich an?« Wo zum Teufel blieb Miles?
    Mrs Draper berührte überrascht die Gemme am hohen Kragen ihrer Bluse. Mary hatte ihre Allüren immer schon für den Versuch gehalten, den Eindruck von Kultiviertheit zu erwecken. »Du gütiger Himmel: Ist das nicht Mary Toliver? Du bist also wieder von der Schule zurück, auf die sie dich geschickt haben. Fast hätte ich dich nicht erkannt; du hast dich sehr verändert. Du bist älter geworden, sagt man in einem solchen Fall wohl.«
    Mary lächelte gequält. »Das Wort passt so gut wie jedes andere«, meinte sie. »Sie hingegen scheinen sich kein bisschen
verändert zu haben, vermutlich genausowenig wie Ihre Sylvie.«
    »Dankeschön.« Mary fiel es nicht schwer, die Gedanken der Frau hinter ihrem affektierten Lächeln zu erraten, denn die hatte sie einmal laut und deutlich einem Ladenbesitzer dargelegt. Ihre Tochter Sylvie und die hochnäsige Mary Toliver hätten sich nie sonderlich gut verstanden, obwohl sie miteinander aufgewachsen seien und ihr Andrew gutes Geld mit seinem Sattler- und Stiefelgeschäft mache. Es sei doch nichts Verwerfliches, sich seinen Lebensunterhalt mit einem solchen Laden zu verdienen. Tue Abel DuMont das nicht auch, nur eben in größerem Umfang? Marys Arroganz rühre wohl daher, dass sie der Grundbesitzerfamilie der Tolivers angehöre. Alle wüssten ja, dass die sich für etwas Besseres als die Leute in der Stadt – die Warwicks und die DuMonts ausgenommen – hielten. Auch wenn diejenigen, auf die sie herabblickten, ihre Rechnungen anders als die hochwohlgeborenen Tolivers begleichen könnten.
    Mary suchte mit Blicken weiter die Menge nach Miles ab und hörte Mrs Draper nur mit halbem Ohr zu.
    »Wir waren ja alle so schockiert. Die Arme. Wenn wir irgendetwas für euch tun können … Man stelle sich vor! Ausgerechnet Darla Toliver in einer solchen Lage …«
    Mary versuchte, sich auf Mrs Draper zu konzentrieren. »Verzeihung? In welcher Lage?«
    Wieder huschten Mrs Drapers Finger zu ihrer Gemme. »Oje«, seufzte sie, die Augen sensationslüstern funkelnd. »Du weißt es also noch gar nicht? Dann habe ich wohl zu viel gesagt.« Sie strahlte noch mehr, als sich jemand Mary von hinten näherte.
    Miles! , dachte Mary verzweifelt, aber auch erleichtert.
    »Hallo, Percy«, säuselte Mrs Draper. »Wollen Sie auch unsere liebe Mary zu Hause willkommen heißen?«

ELF
    S ieht ganz so aus«, antwortete Percy in spitzem Tonfall, bevor er Mary mit deutlich freundlicherer Stimme begrüßte und den Arm schützend um sie legte. »Hallo, Gypsy, willkommen daheim.«
    Der vertraute Spitzname war Musik in ihren Ohren. Sie hob dankbar den Kopf, um sich von ihm auf die Wange küssen zu lassen. »Wie schön, dich zu sehen«, sagte sie. »Schickt Miles dich?« Percy trug einen cremefarbenen Anzug und eine Krawatte mit dickem Knoten und wirkte attraktiver, energiegeladener und maskuliner denn je.
    »Er bereitet zu Hause alles für deine Ankunft vor. Weil er das niemand anders überlassen wollte, habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt, dich hier zu empfangen.«
    Obwohl das natürlich eine Lüge war, um Mrs Draper hinters Licht zu führen, hörte Mary seine Worte gern. Offenbar gab es Schwierigkeiten zu Hause. Vielleicht war es Darla nun doch nicht recht, dass ihre Tochter kam, und Miles versuchte, die Situation in den Griff zu bekommen. Wahrscheinlich hatte

Weitere Kostenlose Bücher