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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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war. Erst vor ein paar Tagen hatte sie den Familien für den Fall Anweisungen gegeben, dass es Regen gab. Ja, Miss Mary, wir gehen alle mit unseren Säcken raus auf die Felder und fangen so schnell wie möglich mit dem Pflücken an. Und sobald die ersten Regentropfen fallen, legen wir die Säcke unter die Planen auf den Wagen.
    Hoagy hatte seine Familie bereits zusammengerufen. Zum
Glück waren seine beiden erwachsenen Söhne zu Hause, einer auf Heimaturlaub vom Militär, der andere, weil er Arbeit suchte. Beide warteten, die Baumwollsäcke über die Schulter geschlungen. »Morgen, Miss Mary«, begrüßten sie sie und taten, als bemerkten sie ihren Morgenmantel nicht.
    »Wie schlimm ist es, Hoagy?«
    Hoagy zuckte mit den Achseln. »Ich weiß auch nicht mehr als Sie, Miss Mary.«
    »Geben Sie mir einen Sack.«
    Es war stockfinster, als die siebenköpfige Carter-Familie und Mary mit der Arbeit begannen, jeder eine Reihe. Noch war kein Tropfen Regen gefallen, aber nach wie vor zuckten Blitze über den Himmel, und Staub hing in der Luft. Mary betete um Wind. Vor allem die Stille ängstigte sie. Entlang den Reihen sah sie die rhythmisch schwankenden Kerosinlampen, die mit Tüchern umwundenen Köpfe und die dazugehörigen Hände, die schnell und sicher pflückten.
    Der Hagel kam dreißig Minuten später, gefolgt von Regen. Mary und die sieben Carters befanden sich am Ende ihrer jeweiligen Reihen, also zu weit von den Wagen entfernt, um es bis dorthin zu schaffen. »Unter die Säcke!«, rief jemand. »Die Hagelkörner sind steinhart.« Doch Mary pflückte weiter, bis sie endlich merkte, dass es keinen Sinn mehr hatte. Dann schob sie ihren halb gefüllten Sack unter ihren Körper und schützte ihren Kopf mit den Armen. Nach einer Weile vernahm sie nichts mehr außer dem wilden Pochen ihres Herzens.
    Es goss in Strömen, als es den anderen schließlich gelang, sie wegzuzerren. »Miss Mary«, sagte Hoagy, »wir können nichts mehr tun. Bringen wir die Säcke zum Haus.«
    Der Morgenmantel klebte ihr mit verdrecktem Saum am Leib, als Mary ihren Sack packte und sich, die Stiefel knöcheltief im Schlamm, zur Hütte des Aufsehers durchkämpfte.
»So holen Sie sich noch den Tod, Miss Mary«, begrüßte Hoagys Frau sie.
    Ja, hoffentlich , dachte Mary.
    Auf der überdachten Veranda, auf der sich alle mit ihren Säcken versammelten, musterte Mary die Pächter durch ihre nassen Locken. Sie schienen auf Anweisungen von ihr zu warten. Ihre Zukunft lag in ihrer Hand; ihr musste etwas einfallen, wie sich das Desaster dieser Nacht ungeschehen machen ließ. Hoagys Blick wirkte besonders erwartungsvoll. Da sie nicht in der Lage gewesen war, ihm seinen Lohn als Aufseher zu zahlen, hatte sie ihm einen höheren Anteil am Ernteerlös versprochen. Sie schaute hinauf in den düsteren Nachthimmel, als könnte sie von dort den Rat ihres Vaters und Großvaters einholen, hörte jedoch nur, wie der Regen schwächer wurde.
    »Verdammt!«, fluchte der Aufseher und trocknete sein Gesicht mit einem Handtuch ab. »Wieder ein Jahr umsonst geschuftet.«
    »Was machen wir jetzt, Pa?«, fragte eines seiner kleinen Mädchen mit Tränen in den Augen und schmutzverschmiertem Gesicht.
    »Wir schütteln die Baumwolle, die wir haben, so trocken, wie es geht, und prüfen, wie viel es ist«, antwortete Mary. »Mattie …« Sie wandte sich Hoagys Frau zu. »Machen Sie ein Feuer im Kamin des vorderen Zimmers, damit wir die Säcke trocknen und am Morgen wieder mit Baumwolle füllen können.«
    Bis zum Morgengrauen sortierten sie Baumwolle in den drei Räumen der Hütte auf Haufen, um den Gesamtwert festzustellen. »Es sieht schlecht aus, Miss Mary«, verkündete Hoagy am Ende.
    Der Himmel klarte auf, als Mary endlich eine Tasse Kaffee trank und auf den hinteren Teil der Veranda hinaustrat, um
den Blick über die Plantage schweifen zu lassen. Im Dämmerlicht waren die niedergedrückten Pflanzen zu erkennen, an denen tags zuvor noch die Baumwolle geleuchtet hatte. Die Stiele waren nackt, abgeknickt, zerquetscht, und die weißen Knäuel lagen, so weit das Auge reichte, zwischen dicken Hagelkörnern auf dem Boden. Kein Strauch war der Katastrophe entgangen.
    »Sieht aus wie Kraut und Rüben«, bemerkte einer der Carter-Jungen mit großen Augen.
    »Psch, Sohn«, rügte seine Mutter ihn mit einem Blick in Richtung Mary.
    Da hörte Mary, wie sich die vordere Fliegenschutztür öffnete und schloss. Plötzlich verstummten alle wie Kinder in der Schule, wenn der Direktor unerwartet

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