Die Erben
wirklich. Ich hab mich nur so beeilt, um fertig zu werden und jetzt fällt die erste Stunde aus. Ich weiß gar nicht, was ich mit der Zeit anfangen soll.“
Es folgte ein schrilles Lachen. Das stand wohl auf Platz Zwei der Merkmale eines schlechten Lügners. Ein Kindergartenkind hätte mich durschaut.
Nur Dad nicht. Er schaute mich zwar verwirrt an, wünschte mir dann aber trotzdem einen schönen Schultag und ging zu seinem Wagen.
Erleichtert schloss ich die Tür hinter mir und stieß einen erleichternden Seufzer aus.
„Du kannst aber toll lügen“, bemerkte Simon, als er breit grinsend wieder aus dem Bad kam.
„Halt‘ die Klappe“, maulte ich ihn an. Ich ging an ihm vorbei und begann meinen Rucksack zu packen.
„Nein ehrlich“, überging er meine Aufforderung. „Du hast das wirklich drauf. Für den Geheimdienst wärst du ein Glücksfall. Oder als Politiker.“
„Womit habe ich das verdient?“, stieß ich aus und sah theatralisch nach oben. „So früh am Morgen und schon so eine Nervensäge an der Backe.“
Simon lachte auf und mit düsterer Miene warf ich mir meinen Rucksack auf den Rücken.
Die Fahrt in die Schule machte die ganze morgendliche Aufregung mehr als wieder gut. Es war schlichtweg himmlisch mit dem Motorrad in die Schule gefahren zu werden.
Ich hatte richtiggehend Mühe, das behämmerte Grinsen zu unterdrücken, als ich den Helm wieder vom Kopf zog.
„Du bist ja ganz rot im Gesicht“, stellte Simon amüsiert fest. Seine Stimme war zwar durch seinen Helm gedämpft, jedoch kaum weniger spöttisch.
„Fahr einfach weiter“, murrte ich nur und lächelte süffisant. „Und viel Spaß beim Zahnarzt. Ich hoffe, es tut nicht weh.“
Meine Stimme triefte vor Sarkasmus und Simon lachte.
Er ließ den Motor aufheulen und preschte davon.
Dank seines Abgangs war nun wenigstens jeder auf mich aufmerksam geworden.
Vielen Dank auch.
Ich entdeckte Ava und Joe auf dem Rasen vor dem Eingang. Erleichtert, endlich wieder normale Leute nach diesem Horrorwochenende zu sehen, winkte ich ihnen zu.
Doch als Ava mich sah, packte sie Joe am Arm und ging davon.
Verwundert runzelte ich die Stirn und fragte mich, was mit ihr los war.
Ich schlurfte in die Schule und durch die Gänge zu meinem Schließfach.
Und bekam gleich den nächsten van der Veer-Sprössling um die Ohren gehauen.
Mit ernster Miene und verschränkten Armen wartete Sarah vor meinem Spint auf mich.
„Morgen“, murmelte ich und griff an ihr vorbei, um das Zahlenschloss zu entriegeln.
„Du hast mir nicht geantwortet“, stellte sie fest, ohne mich zu begrüßen.
„Dir entgeht aber auch nichts, was?“, kommentierte ich lakonisch und schichtete meine Bücher um, bis ich endlich mein Physikbuch fand.
„War Simon heute Nacht bei dir?“, bohrte sie weiter und ich schlug die Schranktür zu.
„Ja.“
„Und du hast es nicht für nötig erachtet, mir wenigstens
das
zu antworten?“
„Nö.“ Ich verzog das Gesicht zu einem unschuldigen Grinsen, während das von Sarah dunkelrot anlief.
„Hat er dir wenigstens gesagt, welche Fähigkeit er besitzt?“
„Er hat die Fähigkeit Wecker zum Zerschellen bringen“, antwortete ich und ging einfach an ihr vorbei.
Sarah folgte mir natürlich sofort. „Er kann
was
?“
„Er tötet Wecker“, wiederholte ich. „Er hat meinen heute Morgen mit einem Kissen vom Nachtisch geschmissen und jetzt ist er kaputt.“
Sarahs Wut brachte beinahe ihre Ohren zum Qualmen.
„Ich hatte angenommen, nach allem was passiert ist, würdest du ernsthafter an die Sache herangehen“, zischte sie und schüttelte den Kopf. „Wenn Simon dir etwas gesagt hat, dann musst du es mir-“
„Er hat nichts gesagt, in Ordnung“, fiel ich ihr barsch ins Wort und blieb stehen. „Er hat kein Sterbenswörtchen über seine Fähigkeit verloren. Er war bei mir, er wollte wissen, wie meine Eltern aussehen-“
„Warum wollte er wissen-“, unterbrach mich Sarah verständnislos und ich machte hektische Bewegungen, um sie zum Schweigen zu bringen.
„Weiß ich nicht“, antwortete ich ungeduldig. „Wahrscheinlich hat er einfach einen Dachschaden. Vielleicht verfolgt er aber auch einen diabolischen Plan und hat damit gerechnet, dass ich dir das erzählen werde und hofft, dich so zur Verzweiflung bringen zu können.“
„Zur Verzweiflung bringst vor allem du mich“, entgegnete Sarah kühl.
„Dann ist ja gut“, meinte ich und schnaufte. „Er hat jedenfalls nichts gesagt. Ich habe ihm erzählt, was passiert ist
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