Die Erben
York zurück ist? Und diesem Ennis mal einen Besuch abstatten?“
„Wir können nicht auf Sisy warten“, entgegnete Sarah fahrig. „Sie kommt irgendwann heute Nacht nach Hause, dann brauchen wir auch nicht mehr los. Es ist jetzt schon spät genug. Und diesem Ennis können wir auf der Fahrt alles erklären.“
Unsicher blickte ich von Simon zu Reid und als keiner von ihnen reagierte, räusperte ich mich.
„Das Haus, in dem Ennis lebt, wurde letzte Nacht von diesem Mark verwüstet“, erinnerte ich Sarah und ging ein paar Schritte auf sie zu. „Findest du nicht, wir sollten ihn aus der Sache heraus halten? Zumindest vorerst? Er hat bestimmt genug andere Sorgen.“
Sarah zuckte mit den Schultern. „Von mir aus. Dann fahren wir zu viert“, beschloss sie. „Dein Bruder kann doch, oder?“
„Keine Ahnung, ich muss ihn anrufen“, antwortete ich.
„Dann mach“, forderte sie mich ungeduldig auf und ich verdrehte die Augen.
„Schlafmangel macht dich noch charmanter“, murmelte ich und ging in die Eingangshalle um Thor anzurufen.
Er versprach, sofort loszufahren und als ich wieder in den Salon kam, war nur noch Simon da.
„Wo sind die Beiden hin?“
„Sarah sucht noch ein paar Sachen zusammen und Reid ist nach Hause gefahren“, erklärte Simon und lehnte sich gegen die Couch. „Er wollte mit, aber wir haben abgelehnt. Er hat ja eigentlich nichts mit der Sache zu tun, wir sollten ihn nicht noch mehr mit reinziehen.“
Ich nickte und sah an Simon vorbei an die Wand.
„Unser Familienwappen“, erklärte er und deutete in die Richtung, in die ich gesehen hatte.
„Hat es irgendeine Bedeutung?“, fragte ich und ging näher heran.
Es war ein Holzschnitt in dessen Mitte ein blühender Baum gemalt war. Zur einen Seite saß ein Löwe, zu anderen ein Bär.
„Veer heißt Frühling“, erklärte Simon. „Der Baum soll das symbolisieren. Der Rest ist Standard. Ich glaube, früher haben die alle Löwen, Bären oder Adler auf ihren Wappen gewollt.“
Ich lachte leise auf.
„Habt ihr auch eins?“, fragte Simon und ich schnaubte.
„Nicht dass ich wüsste“, entgegnete ich. „Aber wenn wir eins hätten, dann wäre wohl Charlie Brown darauf, der eine Keksdose leer futtert.“
Das Viertel von Providence, in das uns Thors Navigationssystem leitete, war ein besonders karges Industriegebiet.
Am Straßenrand verlief eine Mauer, die nur hier und da von einer Handvoll trostloser Fabrikgebäude unterbrochen wurde. Ob eine von ihnen überhaupt noch in Betrieb war, wusste ich nicht. Aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass hier ein Musikclub oder eine Bar sein sollte. Erst recht keine, die ihre Flyer bis nach Boston schleppte und unter die Leute brachte.
Thor drosselte die Geschwindigkeit und blieb schließlich stehen. „Hier soll es sein“, erklärte er und skeptisch sahen wir aus dem Fenster.
„Da steht eine Fabrikhalle“, erklärte Simon lakonisch und ich schnaubte zustimmend.
Sarah dagegen ließ sich nicht abhalten. „Vielleicht wurde die Fabrikhalle ja umgebaut und der Eingang ist um die Ecke.“
Sie schnallte sich los und stieg aus dem Wagen. Verständnislos blickten Thor und ich uns an, dann stellte er den Motor ab und wir folgten Sarah in die kalte Nacht.
„Das ist so ein Moment, in dem alle im Kino schreien, „Geht da nicht rein“ und was machen wir?“
Simon ließ sich zu mir zurückfallen und grinste. „Wir bieten den Leuten was für ihr Geld.“
Wir folgten Sarah und Thor um das düstere Backsteingebäude herum, doch auch hier gab es kein Licht, keine Musik oder sonstige Anzeichen für einen Club oder wenigstens menschlichen Lebens.
„Das kann nicht sein“, beschwerte sich Sarah und sah beinahe empört die schwach beleuchtete Fassade hoch. „Ich habe angerufen und die Adresse aufgeschrieben.“
„Dann ruf doch nochmal an“, schlug Simon vor. „Vielleicht hast du die Adresse ja falsch notiert.“
Offenbar erschien Sarah dieser Gedanke vollkommen lächerlich, trotzdem zückte sie ihr Handy und suchte die Nummer im Wahlspeicher.
„Es klingelt“, teilte sie mit und ich runzelte die Stirn.
„Das tut es wirklich“, flüsterte ich und auch Simon drehte sich zu dem Fabrikgebäude um.
Durch die Mauern ertönte ein Klingeln zu uns.
Sarahs Blick verdunkelte sich und sie nahm das Handy vom Ohr, um aufzulegen.
Im gleichen Moment erstarb das Klingeln.
Ich bekam eine Gänsehaut, als Sarah es erneut versuchte und wieder das Rasseln des Telefons aus dem Haus
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