Die Erben
angestrengt an mir vorbei, vermutlich auch, um Sarah nicht ansehen zu müssen, die neben mir lief.
Als Lyn auf meiner Höhe war raunte ich ihr ein „Hi“ ins Ohr, bei dem sie sich so erschreckte, dass ihre Schulsachen auf den Boden segelten.
„So schreckhaft heute Morgen?“, scherzte ich, als ich ihr helfen wollte, ihre Sachen wieder aufzusammeln.
„Wenn mir einer wie ein Serienkiller ins Ohr flüstert erschrecke ich mich natürlich“, kommentierte sie nur genervt ohne mich anzusehen und riss mir ihren Ordner aus der Armbeuge, um sofort weiter zu hechten.
„Sie ist eine Zicke“, schlussfolgerte meine Schwester kühl, als wir zu unseren Schließfächern weiter gingen.
„Was das angeht müsstet ihr eigentlich die besten Freundinnen werden“, meinte ich nur und stellte mein Zahlenschloss ein. „Außerdem ist sie nicht immer so zickig.“
Sarah verdrehte die Augen und begann in ihrem Schrank zu wühlen. „Und woher willst du das wissen?“
„Ich war am Samstag noch bei ihr, bevor ich vom
Jackie’s
nach Hause gefahren bin.“
Sarah zog zwei Bücher aus dem Schrank, dann sah sie zu mir. „Warum das denn?“
„Na warum wohl?“ Ich knallte die Schranktür zu und lehnte mich grinsend mit der Schulter dagegen. „Weil ich sie flach legen wollte.“
„Du bist ein Ekelpaket“, stellte Sarah fest und schloss ihre eigene Schranktür ebenfalls.
„Nein, du hast einfach nur ein sehr schlechtes Bild von mir und glaubst sowas sofort. Ich war bei ihr, weil ich wissen wollte, wie es ihr geht.“
Sarah ging an mir vorbei und ich folgte ihr.
„Wie du dich vielleicht erinnerst hat sie sich ziemlich heftig gestoßen“, fuhr ich fort und versuchte Sarahs Gesicht zu lesen, doch sie trug nur ihre übliche Maske zur Schau.
„Sie hatte sogar Nasenbluten“, meinte ich gedehnt und noch immer war aus Sarahs Gesicht keine Regung zu sehen.
„Etwas, was wohl die neue Modekrankheit zu sein scheint“, fügte ich an. „Schließlich bekommst du das auch immer häufiger.“
Endlich zeigte Sarah eine Art von Reaktion, indem sie stehen blieb und mich taxierte.
„Willst du auf etwas Bestimmtes hinaus?“
„Naja“, begann ich unsicher und kratzte mich am Nacken. „Irgendwie schon, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht auf was. Ich hab nur den Eindruck, dass etwas nicht stimmt.“
Sarahs Augenbraue wanderte langsam nach oben, dann biss sie sich auf den Kiefer. „Mit dieser Lyn stimmt auch etwas nicht, aber da ist sie nicht die Einzige.“
Jetzt war es meine Augenbraue, die nach oben wanderte, jedoch aus purer Ratlosigkeit.
„Du sprichst in Rätseln, Yoda.“
Sarahs Gesicht ordnete sich wieder in die maskenartige Arroganz zurück und sie ging weiter. „Wenn ich mehr weiß, sage ich es dir. Aber du kannst mir helfen, mehr herauszufinden.“
„Was herausfinden?“, fragte ich ungeduldig nach und holte sie ein.
„Ich muss an Dads Bankschließfach, aber ich bin noch nicht achtzehn“, erklärte Sarah sachlich. „Du dagegen schon und hast folglich Zugang.“
„Warum fragst du nicht einfach Dad selbst?“, wunderte ich mich. „Der Imperator liebt dich doch fast wie eine Tochter, bestimmt fährt er gerne mit dir auf die Bank.“
Sarah verzog kurz das Gesicht wegen meines Spruches, doch sie schwieg.
„Vielleicht spendiert er dir danach sogar ein Eis, wenn du brav bist“, scherzte ich weiter und Sarah schnaufte genervt.
„Ich will nicht, dass er etwas davon weiß, in Ordnung?“
Überrascht starrte ich sie an.
Sarah hatte noch nie etwas von unserem Vater verborgen und als Gegenleistung wurde sie von ihm in beinahe alle Familienangelegenheiten eingeweiht. Was ihr wiederum den Ruf der perfekten Tochter eingebracht hatte.
Das hier passte überhaupt nicht in dieses Bild.
„Simon, ich muss an dieses Schließfach“, machte sie noch deutlicher und legte ihre Hand auf meinen Arm, um ihn sofort wieder zurück zu nehmen, als lenke Körperkontakt sie nur ab. „Dort drin sind Dokumente, die ich sehen muss und ich will nicht, dass Dad mitbekommt, dass ich von diesen Schriften überhaupt weiß. Darum brauche ich deine Hilfe. Also, bist du dabei?“
Mit einem vermutlich nicht sehr gescheiten Blick gaffte ich meine Schwester an.
Auch wenn sie leicht verrückt klang, musste ich zugeben, dass meine Neugier geweckt war.
„Äh, klar“, presste ich daher nur heraus und Sarah atmete erleichtert aus.
„Gut“, sagte sie leise und ging weiter. „Und danke.“
Bereits einen Tag später machten Sarah und ich
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