Die Erben
Taschentuch aus dem Fenster. „Er meinte, bei deinem Lebensstil und deinem fehlenden Interesse das Familienerbe im Sinne der Familie van der Veer weiter zu führen, sei es nicht ratsam, dir Zugang zu allem zu gewähren. In diesen Schließfächern sind unter anderem auch die alten Schmuckstücke unserer Urgroßmutter. Mr. Camden hat bei Dad die Angst gesät, du könntest diese zu Geld machen, um dich abzusetzen. Vor allem seit Dad deinen Treuhandfond gesperrt hat, bis du an einem College angenommen wurdest.“
Ich verdrehte die Augen. „Und das kommt dem Kerl jetzt? Ich werde in zwei Wochen neunzehn, ich hätte schon seit fast einem Jahr die Ohrringe unserer Urgroßmutter verhökern können.“
„Das ist ja sowieso nicht der wahre Grund gewesen“, winkte Sarah ab und bremste scharf, als die Ampel vor ihr doch auf Rot schaltete, bevor sie darüber rauschen konnte.
„Und was soll der wahre Grund gewesen sein?“
„Vor ein paar Wochen hat sich jemand als Simon van der Veer ausgegeben, um sich so Zugang zu verschaffen.“ Sie drückte das Gaspedal durch, als die Ampel wieder auf Grün sprang.
Ich riss meine Augen vor Verwunderung auf, was Sarah fälschlicherweise auf ihren halsbrecherischen Fahrstil bezog und die Geschwindigkeit drosselte.
„Mr. Baker hat diesem Mann damals das Bankschließfach geöffnet“, fuhr sie fort. „Und als sich herausstellte, dass das gar nicht du warst, wurde er fast gefeuert. Er arbeitet noch nicht lange in der Bank. Wie du ja weißt, tendiert Dad zu recht drastischen Konsequenzen, wenn Leute, die er bezahlt einen Fehler machen, der ihn teuer zu stehen kommen könnte. Deswegen haben sie ihm das Ganze verschwiegen und ihn stattdessen zum Zweifeln gebracht, was dich angeht, damit er das Schließfach dennoch für jeden sperrt.“
„Aha“, wiederholte ich erneut und gab mir keine Mühe so zu klingen, als würde es viel Sinn ergeben, was sie mir da erzählte. „Und das weißt du, weil…“
„Es ist doch egal, woher ich das weiß“, meinte sie scharf. „Ich weiß es eben.“
„Mir ist es nicht egal“, widersprach ich. „Wenn das, was du mir da sagst, stimmt, dann ist mir das überhaupt gar nicht egal. Irgendein Kerl hat sich da drin als mich ausgegeben, das würde ich schon gerne genauer wissen.“
„Er sah dir ohnehin nicht ähnlich.“
„Woher weißt du das, verdammt noch mal?“, brüllte ich und hatte Mühe mich nicht noch mehr aufzuregen. Sarah reagierte jedoch kaum, sondern konzentrierte sich nur stoisch auf die Fahrbahn vor ihr.
„In Ordnung“, meinte ich und zwang mich zur Ruhe. „Fassen wir also einmal alles zusammen.“ Ich schnaufte tief durch, dann zählte ich sachlich auf. „Vor ein paar Wochen ist ein Kerl da rein spaziert, hat behauptet er sei Simon van der Veer, der Typ hat ihm das einfach mal so geglaubt und ihn dann an unser Familienschließfach gelassen?“
„Er hatte Papiere dabei“, widersprach Sarah. „Einen Pass oder so.“
„Ach,
das
weißt du jetzt nicht genau?“ Ich schaute Sarah spöttisch an. „Der Kerl hatte einen gefälschten Pass mit
meinem
Namen? Wie kann es eigentlich sein, dass die das einfach unter den Tisch kehren wollen und den Kerl nicht anzeigen?“
„Ich weiß es nicht“, gab Sarah kleinlaut zu und ich starrte ungläubig aus dem Fenster.
Langsam aber sicher fühlte ich, als sei ich im falschen Film gelandet.
Sarah zuckte mit den Achseln. „Sie haben die Überwachungsvideos überprüft, um festzustellen, ob du es warst oder nicht.“ Sie begann nervös über das Lenkrad zu fahren. „Scheinbar waren die Aufnahmen so schlecht, dass man nur wegen seiner Haarfarbe erkannte, dass es nicht du gewesen sein kannst. Und da er nichts mitgenommen hat, haben sie es wohl einfach fallen lassen. Aber ich weiß es wirklich nicht genauer.“
„Aber wer macht sich die Mühe, mit gefälschten Papieren an ein Schließfach zu kommen, aus dem er dann nichts heraus nimmt?“
„Das frage ich mich ja auch“, murmelte Sarah düster.
„Und seit wann weißt du das jetzt alles?“, wollte ich wissen und Sarahs Gesicht wurde immer verschlossener. „Ich meine, hättest du das heute Morgen schon gewusst, wären wir doch nicht hierher gefahren.“
„Mmh.“ Sarah starrte weiter konzentriert auf die Fahrbahn, obwohl außer uns kaum noch weitere Autos auf dieser Strecke fuhren.
„Wir waren in der Bank die ganze Zeit zusammen, wie hast du davon erfahren können und ich nicht?“, bohrte ich weiter, doch ohne Erfolg.
„Simon, bitte
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