Die Erben
Mann in meiner Familie sehr viel Schaden angerichtet.“
Wieder stockte sie und starrte an die gegenüberliegende Wand.
„Ich bin diesem Namen dann nachgegangen“, fuhr sie schließlich fort. „Und als ich erfuhr, dass er in einer psychiatrischen Klinik Nähe Boston sitzt, bin ich zu ihm gefahren.“
„Dieser Kerl hat einen Freund meiner Großeltern getötet“, warf ich ein und Sarah nickte.
„Deswegen ist er ja in der Anstalt“, bestätigte sie ohne sichtbare Regung.
„Und was hat er deiner Familie angetan?“, wollte ich wissen, doch Sarah schüttelte den Kopf.
„Darüber will ich mit dir nicht reden“, entgegnete sie entschlossen und erzählte sofort weiter, als wollte sie eine weitere Frage vermeiden. „Jedenfalls hat Wyatt mir erzählt, dass vor etwa zehn Jahren deine Großeltern bei ihm waren und dieses Tagebuch dabei hatten. Er meinte, dass er sehr schnell gemerkt hatte, dass das Tagebuch von einer
Gesandten
geschrieben worden war, weil viele der Berichte perfekt zur Legende passen.“
„Was sollen diese
Gesandten
sein?“, warf ich ein, da mir dieser Begriff im Kopf umher ging, seit Dad ihn benutzt hatte.
„Angeblich waren sie Wesen aus einer anderen, magischen Welt.“ Sarah zuckte die Schultern, als sei sie selbst nicht überzeugt davon. „So wirklich erklären konnte Wyatt mir das auch nicht, zumindest nicht so, dass ich es glauben konnte. Ich kenne dein Tagebuch nicht, aber Wyatt hat nicht erwähnt, dass Eliza davon geschrieben hatte, von einer Parallelwelt oder ähnlichem zu stammen. Aber er war überzeugt davon, dass es so war.
„Die Legende jedenfalls besagt, dass die
Gesandten
über Fähigkeiten verfügten, die sie von anderen Menschen unterschied und dass sie der Gewalt im Namen der Magie Einhalt bieten würden. Eliza hat wohl beschrieben, wie sie und ihre Freunde mehrere Menschen gerettet haben, die der Hexerei bezichtigt worden waren. Außerdem hatten sie alle Fähigkeiten. Für Wyatt passte also alles.
„Die
Erben
sollen demnach die Nachfahren der
Gesandten
sein. Also die Nachfahren, die die Fähigkeiten erben, wenn die Zeit reif ist.
„Als er mir die Namen genannt hatte, die ebenfalls in dem Buch vorkamen, habe ich unsere Familiengeschichte studiert. Dabei habe ich herausgefunden, dass Ende des siebzehnten Jahrhunderts in unserer Familie tatsächlich ein Geschwisterpaar gelebt hatte, das Elijah und Anne hieß. Und sie hatten zu der Zeit der Hexenprozesse auch in Salem gelebt.“
Mein Mund war staubtrocken und ich kippte mein Glas hinunter. Langsam begann mein Hirn schwerfälliger zu arbeiten.
„Das klingt ja alles faszinierend“, meinte ich und versuchte eine Coolness vorzugeben, die ich definitiv nicht spürte. „Aber dieser Theorien nach müssten unsere Brüder ebenso Fähigkeiten besitzen.“
Sarah grinste. „Du hast damit zugegeben, dass du auch eine Fähigkeit besitzt.“
Ich wollte wiedersprechen, doch dann merkte ich, dass sie Recht hatte.
„Welche ist es?“, fragte sie sofort und ich lehnte mich mutlos zurück.
„Visionen“, erklärte ich knapp. „Ich sehe in meinen Träumen manchmal die Zukunft.“
„Wie Eliza also“, stellte Sarah fest.
„Ja“, gab ich zu. „Aber zurück zu meinem Einwand. Wenn das mit den
Gesandten
und den
Erben
stimmen soll, dann müssten Simon und Thor auch irgendwas können. Also außer dass der eine stark wie ein Bär und der andere egozentrisch wie ein Pfau ist.“
Sarah schmunzelte. „Zeigt dein Bruder denn keine Anzeichen?“
Ich schüttelte den Kopf. „Vielleicht ist seine Fähigkeit die Unfehlbarkeit“, scherzte ich.
Sarah dagegen blieb ernst. „Sie müssen beide eine Fähigkeit haben, sonst ist die Legende vollkommen falsch und wir stehen wieder am Anfang“, meinte sie beinahe störrisch. „Aber Simon hat auch noch nichts gemerkt. Zumindest behauptet er das.“
Sie begann auf ihrem Daumennagel herum zu kauen. „Damit wären wir übrigens beim Grund, warum ich dich sprechen wollte und warum ich Simon überhaupt gebeten hatte, dich einzuladen.“ Sie wirkte abwesend beim Sprechen.
„Ach, dahinter steckst du?“, meinte ich seltsam enttäuscht.
„Ja“, sie wandte sich wieder zu mir. „Simon meinte, du würdest eh nicht kommen wollen. Ich habe ihn überredet, dich trotzdem zu fragen. Du musst mir nämlich helfen.“
Ich schnaubte. „Besonders viel Erfahrung scheinst du ja nicht zu haben, andere um Hilfe zu bitten“, kommentierte ich ihre harsche Wortwahl.
Sarah erwiderte jedoch nichts,
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