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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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müde gewesen, aber in der Woche sei er jeden Tag ins Büro gegangen. Falls jemand sie im Büro gesehen habe, sei ihr das nicht bewusst gewesen. Ja, sie habe den Cadillac zu Mr. Hubbards Haus zurückgefahren, dann sei sie heimgegangen und gegen Mittag dort angekommen.
    »Und er hat kein einziges Mal erwähnt, dass er gerade sein Testament schreibt?«
    »Einspruch«, meldete sich Jake. »Diese Frage hat sie bereits zweimal beantwortet.«
    »Ja, okay. Ich wollte mich nur vergewissern.«
    »Es steht im Protokoll.«
    »Ja, natürlich.« Nachdem Zeitler einen Sieg eingefahren hatte, wollte er nur ungern mit etwas anderem weitermachen. Er brachte in Erfahrung, dass Lettie den Cadillac nur an diesem einen Tag gefahren, dass sie nur selten Tablettenpackungen oder Medikamente im Haus gesehen, dass Mr. Hubbard seine Medikamente vermutlich im Aktenkoffer aufbewahrt hatte. Dass er manchmal starke Schmerzen gehabt, dass er nie über Selbstmord gesprochen hatte und dass ihr zu keiner Zeit ein ungewöhnliches Verhalten an ihm aufgefallen war, welches darauf hingewiesen hätte, dass er unter dem Einfluss von Medikamenten stand. Dass er kein Trinker gewesen war, gelegentlich aber ein paar Flaschen Bier im Kühlschrank stehen hatte, und dass sich in seinem Schlafzimmer ein Schreibtisch befand, Mr. Hubbard aber so gut wie nie Büroarbeiten zu Hause erledigt hatte.
    Am Dienstagmittag war Lettie so weit, dass sie hinwerfen wollte. Sie nahm ihr Mittagessen in Jakes Kanzlei ein, wieder zusammen mit Portia, und legte sich dann für ein Nickerchen auf das Sofa.
    Tod durch Zeugenaussage wurde am Mittwoch fortgesetzt, als Jake das Kommando übernahm und mehrere Stunden lang Herschel Hubbard befragte. Der Vormittag schleppte sich in lähmender Eintönigkeit dahin. Es dauerte nicht lange, um her auszufinden, dass Herschel in seiner Karriere wenig erreicht und wenig gewagt hatte. Seine Scheidung war bei Weitem das aufregendste Erlebnis seines Lebens gewesen. So spannende Themen wie Schulbildung, Studium, Berufserfahrung, Arbeit geber, frühere Wohnorte, Beziehungen, Freunde, Interessen, Hobbys, religiöse Überzeugung und politische Einstellung wur den ausführlich erörtert und erwiesen sich als ausnehmend langweilig. Mehrere der Anwälte nickten ein. Portia, die den dritten Tag eines echten Verfahrens miterlebte, kämpfte darum, wach zu bleiben.
    Nach dem Mittagessen kehrten die Anwälte widerstrebend in den Gerichtssaal zurück, um die Befragung fortzusetzen. Jake gelang es, etwas Leben in die Bude zu bringen, als er sich danach erkundigte, wie viel Zeit Herschel in den letzten Jahren mit seinem Vater verbracht hatte. Herschel versuchte, den Ein druck zu erwecken, dass er und der alte Mann sich sehr nahe gewesen waren, hatte aber Schwierigkeiten, sich an einzelne Besuche zu erinnern. Da sie ja so oft miteinander telefoniert hätten, stehe das doch bestimmt in den Verbindungsdaten für seinen Anschluss, meinte Jake. Hatte Seth Karten oder Briefe geschickt? Herschel war sicher, dass er das getan hatte, bezweifelte aber, dass er sie vorlegen konnte. Seine Anwälte hatten ihm geraten, so vage wie möglich zu bleiben, was ihm auch hervorragend gelang.
    Was das Thema Lettie Lang anging, behauptete Herschel, sie häufig gesehen zu haben, während der vielen Besuche bei seinem geliebten Vater. Seiner Meinung nach hatte Seth sie sehr gern gehabt. Er gab zu, nie gesehen zu haben, wie sie sich berührten, aber die Art, wie sie sich angesehen hätten … Da sei so etwas in ihren Blicken gewesen. Was genau? Herschel wusste es nicht so genau, aber da sei etwas gewesen. Sie habe immer zugehört, habe sich immer irgendwo versteckt und versucht, ihre Gespräche zu belauschen. Und als es seinem Vater schlechter gegangen sei, sei er immer mehr auf Lettie angewiesen gewesen, wodurch sie einander noch näher gekommen seien. Jake fragte, ob er damit andeuten wolle, die beiden hätten ein sexuelles Verhältnis gehabt. »Das weiß nur Lettie«, erwiderte Herschel, womit er natürlich stillschweigend das Naheliegende andeutete.
    Portia schäumte vor Wut, als sie sich am Tisch umsah. Sie ging davon aus, dass mit Ausnahme von Jake jeder Einzelne am Tisch glaubte, dass ihre Mutter mit einem verrunzelten, halb toten Weißen geschlafen hatte, um sein Geld zu bekommen. Doch sie senkte den Kopf und ließ sich nichts anmerken, wie ein echter Profi, während sie Seite um Seite mit Notizen füllte, die sich nie jemand ansehen würde.
    Nachdem Jake ihm sieben Stunden auf den

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