Die Erbin
Jake. Er hat den Hailey-Prozess verfolgt und weiß, dass der Ku-Klux-Klan dein Haus niedergebrannt hat. Er weiß, dass du etwas kaufen willst.«
»Ich will nichts kaufen, Harry Rex. Ich prozessiere gegen meine Versicherung. Aber sag ihm trotzdem Danke von mir. Ich kann mir das Haus nicht leisten.«
»Willst du ein paar Nachos?«
»Nein, danke. Ich muss jetzt nach Hause.«
»Sag Carla, dass ich sie liebe und mich nach ihrem Körper verzehre.«
»Das weiß sie bereits.«
Als Jake zur Kanzlei zurückging, regnete es. Die Straßenlampen rund um den Clanton Square waren mit Tannengrün und Silberglocken geschmückt. Von einem Krippenspiel vor dem Ge richtsgebäude drangen Weihnachtslieder zu ihm herüber. Die Geschäfte hatten länger geöffnet und waren brechend voll. Für morgen bestand eine geringe Aussicht auf Schnee, und es gab nur wenige Dinge, die die Stadt derart in Aufregung versetzten wie ein solcher Wetterbericht. Die älteren Herrschaften behaup teten, 1952 habe es weiße Weihnachten gegeben, und selbst die geringste Chance auf Schnee ließ Kinder stundenlang aus dem Fenster starren und Geschäfte Schaufeln und Salz anbieten. Passanten hasteten erwartungsvoll vorbei, als würde ein Schneesturm unmittelbar bevorstehen.
Jake nahm den langen Weg nach Hause. Er fuhr langsam durch die von Bäumen gesäumten Straßen im Stadtzentrum, bis er die Market Street erreicht hatte. In Hocutt House brannte Licht, was selten vorkam. Jake und Carla waren oft daran vorbeigegangen, immer langsam, mit bewundernden Blicken und in dem Wissen, dass das schöne Haus im viktorianischen Stil kaum benutzt wurde. Es hatte schon lange Gerüchte gegeben, dass Willie Traynor verkaufen wollte. Er war aus Clanton weggezogen, nachdem er die Zeitung losgeschlagen hatte, was alle wussten.
Das Haus musste mal wieder gestrichen werden. Im Sommer waren die Blumenbeete von Unkraut überwuchert, und der Rasen wurde nur selten gemäht. Im Herbst wehte der Wind die Blätter auf die Terrasse, und niemand harkte sie zusammen.
Für einen Moment war Jake versucht, anzuhalten, an die Tür zu klopfen, mit Willie einen zu trinken und über den Kauf des Hauses zu reden. Doch er widerstand der Versuchung und fuhr heim.
24
An Heiligabend schlief Jake aus, zumindest länger als sonst. Während Carla noch tief und fest schlummerte, schlich er sich um sieben aus dem Bett und ging auf Zehenspitzen in die Küche. Er kochte Kaffee und bereitete Rührei mit Toast zu. Als er das Frühstückstablett ins Schlafzimmer brachte, kam allmählich Leben in seine Frau. Sie aßen langsam und unterhielten sich, froh über einen seltenen Moment der Ruhe, bis Hanna völlig aufgedreht hereinhüpfte und ohne Punkt und Komma über den Weihnachtsmann redete. Sie zwängte sich zwischen ihre Eltern und nahm sich einen Toast, dann zählte sie alles auf, was sie in ihren Brief an den Weihnachtsmann geschrieben hatte, und war angesichts ihrer vielen Wünsche sehr beunruhigt. Ihre Eltern waren anderer Meinung. Schließlich war sie ein Einzelkind und bekam in der Regel, was sie wollte. Außerdem sollte es noch eine Überraschung geben, die sämtliche Wünsche Hannas in den Schatten stellen würde.
Eine Stunde später brachen Jake und Hanna auf und fuh ren ins Stadtzentrum, während Carla zu Hause blieb, um Geschenke einzupacken. Roxy hatte sich freigenommen, und Jake wollte ein Geschenk für seine Frau abholen. Die Kanzlei war das beste Versteck. Er ging davon aus, dass niemand dort sein würde, war aber nicht allzu überrascht, als er Lucien im Konferenzraum entdeckte, wo dieser sich durch alte Akten wühlte. Lucien sah aus, als wäre er schon seit Stunden dort, schien aber nüchtern zu sein, was erheblich wichtiger war. »Wir müssen reden«, sagte er.
Hanna fand es toll, im riesigen Büro ihres Vaters herumzustöbern, daher schickte Jake sie nach oben und zog los, um irgendwo Kaffee zu finden. Lucien hatte bereits eine halbe Kanne getrunken und schien ziemlich aufgedreht zu sein. »Das werden Sie nicht glauben«, platzte es aus ihm heraus, als er die Tür des Konferenzraums schloss.
Jake ließ sich in einen der Ledersessel fallen und rührte seinen Kaffee um. »Kann das nicht bis Montag warten?«, fragte er.
»Nein. Halten Sie den Mund, und hören Sie mir zu. Die große Frage ist: Warum tut ein Mann das, was Seth Hubbard getan hat? Richtig? In letzter Minute noch ein Testament ma chen, ganz einfach und mit der Hand geschrieben, seine Familie enterben und alles jemandem
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