Die Erbin
Familie – sieben Kinder – von einem Baumwollfeld zum nächsten schleppten. Er erinnerte sich daran, schon mit fünf Jahren Baumwolle gepflückt zu haben. Er ging nie zur Schule, und die Familie blieb nie lange an einem Ort. Sie lebten in Hütten und Zelten, und Hunger war nichts Ungewöhnliches. Sein Vater starb jung und wurde hinter einer Kirche der Schwarzen in der Nähe von Selma begraben. Seine Mutter fing etwas mit einem Mann an, der die Kinder schlug. Boaz und einer seiner Brüder rissen aus und kehrten nie zurück.
Portia machte sich Notizen, während Lettie versuchte, das Gespräch durch Fragen am Laufen zu halten. Boaz genoss die Aufmerksamkeit. An die Namen seiner Großeltern konnte er sich nicht erinnern, und er wusste auch nichts über sie. Er glaubte, dass sie in Mississippi gelebt hatten. Lettie nannte ihm ein paar Namen, alle aus der Familie Rinds. Boaz grinste und nickte jedes Mal, dann gab er zu, dass er die Person nicht kannte. Aber als sie »Sylvester Rinds« sagte, hörte er gar nicht mehr auf zu nicken. »Das war mein Onkel. Sylvester Rinds. Er und mein Daddy waren Cousins«, meinte er schließlich.
Sylvester war 1898 geboren worden und 1930 gestorben. Er war der Besitzer der dreißig Hektar gewesen, die später von seiner Frau auf Cleon Hubbard, den Vater von Seth, überschrieben wurden.
Wenn Monroe Rinds, Vater von Boaz, ein Cousin von Sylvester war, konnte er genau genommen kein richtiger Onkel von Boaz sein. Aber angesichts der verschlungenen Verwandtschaftsverhältnisse im Stammbaum der Rinds hatten sie nicht die Absicht, den alten Mann zu korrigieren. Sie waren viel zu begeistert davon, diese Information zu bekommen. Lettie glaubte inzwischen, dass ihre biologische Mutter Lois Rinds war, die Tochter von Sylvester, und wollte das unbedingt beweisen. »Sylvester besaß ein Stück Land, nicht wahr?«, fragte sie.
Das übliche Nicken, dann ein Lächeln. »Scheint so, als hätte er Land gehabt. Ja, ich glaube schon.«
»Haben Sie und Ihre Familie jemals auf diesem Land gelebt?«
Boaz kratzte sich an der Stirn. »Ich glaube, ja, als ich ein kleiner Junge war. Jetzt erinnere ich mich. Ich habe Baumwolle auf dem Land meines Onkels gepflückt. Jetzt weiß ich es wieder. Und dann gab es Streit, weil er uns nicht für die Baumwolle bezahlen wollte.« Er fuhr sich über die Lippen und murmelte etwas.
»Es gab also eine Meinungsverschiedenheit. Und was ist dann passiert«?, fragte Lettie.
»Wir sind weggegangen, zu einer anderen Farm. Ich weiß nicht mehr, wohin. Es waren so viele.«
»Wissen Sie noch, ob Sylvester Kinder hatte?«
»Jeder hatte Kinder.«
»Können Sie sich an Sylvesters Kinder erinnern?«
Boaz kratzte sich und dachte so angestrengt nach, dass er ein nickte. Als den beiden Frauen klar wurde, dass er schlief, rüttelte Lettie sanft an seinem Arm. »Boaz, können Sie sich erinnern, ob Sylvester Kinder hatte?«, fragte sie.
»Schieben Sie mich da rüber, in die Sonne«, bat er, während er auf eine Stelle auf der Terrasse wies, die nicht im Schatten lag. Sie rollten ihn hinüber und holten ihre Gartenstühle. Er saß so aufrecht wie möglich in seinem Rollstuhl, sah nach oben zur Sonne und schloss die Augen. Sie warteten. »Davon weiß ich nichts, Benson«, murmelte er schließlich.
»Wer war Benson?«
»Der Mann, der uns geschlagen hat.«
»Können Sie sich an ein kleines Mädchen namens Lois erinnern? Lois Rinds?«
Er sah Lettie an. »Ja. Jetzt erinnere ich mich an sie«, erwiderte er klar und deutlich. »Sie war Sylvesters kleines Mädchen, und ihnen gehörte das Land. Lois. Die kleine Lois. Es war nicht üblich, dass Farbige Land besaßen, aber jetzt erinnere ich mich. Zuerst war alles gut, aber dann gab es Streit.«
»Ich glaube, Lois war meine Mutter«, sagte Lettie.
»Sie wissen es nicht?«
»Nein, ich weiß es nicht. Sie starb, als ich drei war, und jemand anders hat mich adoptiert. Aber ich bin eine Rinds.«
»Ich auch. Immer gewesen«, meinte er, und sie lachten. Dann wirkte er plötzlich traurig. »Jetzt ist nicht mehr viel von der Familie übrig. Ist in alle Winde zerstreut.«
»Was ist mit Sylvester passiert?«, fragte Lettie.
Boaz verzog das Gesicht und verlagerte sein Gewicht, als hätte er große Schmerzen. Ein paar Minuten lang atmete er schwer und schien die Frage vergessen zu haben. Er starrte die beiden Frauen an, als hätte er sie noch nie gesehen, und wischte sich die Nase am Hemdsärmel ab. Dann kehrte er in die Gegenwart zurück. »Wir
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