Die Erbin
sollten sie aus dem Spiel lassen«, sagte Herschel. »Habt ihr gewusst, dass sie Vollzeit hier gearbeitet hat und dass er ihr fünf Dollar die Stunde bezahlt hat?«
»Fünf Dollar?«, echote Ian. »Ramona, was zahlen wir Berneice?«
»Drei fünfzig«, sagte Ramona. »Bei zwanzig Stunden die Woche.«
»In Memphis zahlen wir vier fünfzig«, erklärte Herschel stolz, als würde er und nicht seine Mutter die Schecks ausstellen.
»Wieso sollte ein alter Geizkragen wie Seth einer Haushaltshilfe so viel Geld bezahlen?«, fragte Ramona, ohne wirklich an einer Antwort interessiert zu sein.
»Soll sie sich darüber freuen, solange sie noch kann«, sagte Herschel. »Ihre Tage in diesem Haus sind sowieso gezählt.«
»Wir schmeißen sie raus?«, fragte Ramona.
»Sofort. Wir haben gar keine Wahl. Willst du vielleicht weiterhin zahlen? Pass auf, Schwesterherz, wir machen Folgendes: Wir ziehen die Beerdigung durch, Lettie soll hier alles in Ordnung bringen, danach wird sie entlassen, und wir schließen das Haus ab. Nächste Woche bieten wir es zum Verkauf an und hoffen, dass es schnell weggeht. Wozu sollte sie dann noch länger hierbleiben, für fünf Dollar die Stunde?«
Im Hintergrund ließ Lettie den Kopf sinken.
»Vielleicht sollten wir lieber noch etwas abwarten«, sagte Ian vorsichtig. »Wir werden bald das Testament sehen. Dann wer den wir wissen, wer als Testamentsvollstrecker bestimmt ist, wahrscheinlich einer von euch beiden. Normalerweise ist es der Ehegatte oder eines der Kinder. Derjenige wird dann dem Testament entsprechend mit dem Erbe verfahren.«
»Das weiß ich alles«, sagte Herschel, obwohl er in Wahrheit keine Ahnung hatte. Ian hatte täglich mit Anwälten zu tun, des halb tat er immer gern so, als wäre er der Rechtsexperte der Familie – einer der Gründe, warum Herschel ihn hasste.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass er tot ist«, sagte Ramona und fand tatsächlich eine Träne zum Abtupfen.
Herschel sah sie an und wäre am liebsten über den Tisch gesprungen, um ihr eine zu scheuern. Soweit er wusste, war sie einmal im Jahr nach Ford County gefahren, und das meist allein, weil Ian die Gegend nicht ertrug und Seth Ian nicht leiden konnte. Sie war morgens gegen neun Uhr in Jackson losgefah ren, um sich mit Seth zum Mittagessen zu treffen, immer im selben Grillhaus rund fünfzehn Kilometer nördlich von Clanton, direkt am Highway. Danach war sie ihm nach Hause nachgefahren, wo sie gegen zwei die Langeweile packte, sodass sie sich spätestens um vier wieder auf den Heimweg machte. Ihre Kinder, die beide auf eine private Mittelschule gingen, hatten den Groß vater seit Jahren nicht gesehen. Okay, Herschel selbst hatte auch nicht mehr vorzuweisen, aber er saß auch nicht da und vergoss Krokodilstränen.
Ein lautes Klopfen an der Küchentür ließ sie zusammenfahren. Zwei Deputys in Uniform waren gekommen. Herschel öffnete die Tür und bat sie herein. Man blieb unbeholfen beim Kühlschrank stehen und stellte sich einander vor. Die Deputys nahmen ihre Kopfbedeckungen ab, man schüttelte einander die Hand. Marshall Prather sagte: »Entschuldigen Sie die Störung, Deputy Pirtle und ich sind im Auftrag von Sheriff Walls hier, der übrigens sein aufrichtiges Beileid bekundet. Wir haben Mr. Hubbards Wagen zurückgebracht.« Er übergab Herschel die Schlüssel, der sich artig bedankte.
Deputy Pirtle zog einen Umschlag aus der Tasche und sagte: »Das hat Mr. Hubbard auf dem Küchentisch hinterlassen. Wir haben es gestern entdeckt, nachdem wir ihn gefunden hatten. Sheriff Walls hat Kopien gemacht, ist aber der Meinung, dass die Familie das Original haben soll.« Er reichte den Umschlag Ramona, die sofort wieder zu schniefen anfing.
Man sagte Danke schön, und nach einer weiteren Runde verlegenen Händeschüttelns und Kopfnickens verabschiedeten sich die Deputys. Ramona öffnete den Umschlag und nahm zwei Blätter Papier heraus. Das erste war der Brief an Calvin, in dem Seth seinen Selbstmord bestätigte. Das zweite war nicht an die Kinder, sondern an »die zuständige Person«.
Anweisungen für die Trauerfeier:
Ich will eine einfache Trauerzeremonie in der Irish Road Christian Church am Dienstag, den 4. Oktober, um sechzehn Uhr, gehalten von Reverend Don McElwain. Ich möchte, dass Mrs. Nora Baines »The Old Rugged Cross« singt. Ich möchte nicht, dass jemand eine Rede hält. Wer sollte das auch wollen. Ansonsten darf der Reverend sagen, was er will. Dreißig Minuten max.
Sollten Schwarze
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