Die Erbin
und nahmen Platz. Lettie servierte Kaffee und Cola und zog sich dann pflichtbewusst zurück, wenn auch nur bis in die offene Tür eines Zimmers weiter hinten im Flur. Dort hatte sie oft gestanden und zugehört, wenn Mr. Seth im Wohnzimmer telefonierte. Von dort aus konnte sie alles hören. Ramona weinte noch ein wenig und wiederholte mehrfach, wie unfassbar dies alles doch sei. Die Männer hörten zu und murmelten hin und wieder ihre Zustimmung. Es dauerte nicht lange, da läutete es an der Tür. Zwei Frauen von der Kirche kamen mit einem Kuchen und einem warmen Gericht und ließen sich nicht abwehren. Lettie beeilte sich, die Mitbringsel in die Küche zu tragen, während die zwei Damen ungeniert ins Wohnzimmer spazierten, sich niederließen und anfingen zu plappern. Sie hätten Seth erst gestern noch in der Kirche getroffen, und er habe so gut ausgesehen. Sie hätten von dem Lungenkrebs gewusst, aber er schien ihn doch so gut im Griff zu haben, um Himmels willen.
Herschel und die Dafoes gingen nicht darauf ein. Lettie horchte im Hintergrund.
Die Kirchendamen hätten am liebsten drauflosgefragt, wie er es getan habe, ob er einen Abschiedsbrief hinterlassen habe, wer das Geld bekommen werde, ob es Hinweise auf ein Verbrechen gebe, und so weiter. Aber es war ziemlich klar, dass diese Art von Wissbegier nicht gut ankommen würde, und nach zwanzig Minuten unbehaglichem Schweigen verloren sie das Interesse und verabschiedeten sich.
Sie waren kaum fünf Minuten weg, da klingelte es erneut an der Tür. Die Einfahrt mit den drei fremden Autos zog die Aufmerksamkeit der Nachbarschaft auf sich.
»Kümmern Sie sich darum, Lettie«, rief Herschel aus dem Wohnzimmer. »Wir gehen in die Küche.«
Es war die Nachbarin von gegenüber mit einem Zitronenkuchen. Lettie dankte ihr und erklärte, dass Mr. Seths Kinder zwar hier, aber nicht imstande seien, Besuch zu empfangen. Die Nachbarin blieb eine Weile auf der Veranda stehen, in der Hoffnung, vielleicht doch noch hereingebeten zu werden und aus erster Hand etwas über die Familientragödie zu erfahren, doch Lettie verstellte ihr höflich, aber deutlich die Tür. Nach dem sie endlich weg war, brachte Lettie den Kuchen in die Küche.
Es dauerte nicht lange, bis man am Küchentisch zur Sache kam. »Hast du das Testament gesehen?«, fragte Ramona. Ihre Augen waren jetzt erstaunlich klar und glommen vor Neugier und Argwohn.
»Nein«, erwiderte Herschel. »Du?«
»Nein. Ich war vor ein paar Monaten hier …«
»Im Juli«, fiel ihr Ian ins Wort.
»Also gut, im Juli. Da habe ich versucht, mit Daddy darüber zu reden. Er sagte, eine Kanzlei in Tupelo habe ein Testament vorbereitet. Es sei alles geregelt. Aber das war alles. Hast du mal mit ihm darüber gesprochen?«
»Nein«, räumte Herschel ein. »Es passte irgendwie nie. Der Alte war todkrank – da konnte ich ihn doch nicht nach seinem Letzten Willen fragen. Das ging einfach nicht.«
Lettie stand unsichtbar im Flur und hörte alles mit.
»Wie viel hat er hinterlassen?«, fragte Ian ungerührt. Er konnte eine Finanzspritze am besten gebrauchen. Seine Firma baute Einkaufszentren und häufte zunehmend Schulden an. Er gab sich die größte Mühe, seine Gläubiger zu befriedigen, doch sie hörten nicht auf, ihn zu bedrängen.
Herschel blickte seinen Schwager an, dachte, was für ein Widerling, hielt sich aber zurück. Alle drei rechneten damit, dass es mit Seths Nachlass Ärger geben würde. Es brachte nichts, jetzt schon zu streiten. Das würde sowieso über kurz oder lang passieren. Also zuckte er die Achseln und sagte: »Keine Ahnung. Er hat sich nie in die Karten schauen lassen. Es gibt dieses Haus, die achtzig Hektar Land darum herum, das Sägewerk. Aber ich weiß nicht, wie es mit Schulden und so weiter aussieht. Wir haben nie über das Geschäft geredet.«
»Ihr habt nie über irgendwas geredet«, fauchte Ramona über den Tisch, ruderte aber sofort zurück. »Entschuldigung, Herschel.«
Unter Geschwistern konnte so ein Angriff natürlich nicht ungesühnt bleiben. »Ich wusste gar nicht«, sagte Herschel höhnisch, »dass ihr zwei so innig wart, Daddy und du.«
Ian wechselte rasch das Thema. »Hat er hier ein Arbeitszimmer oder einen Platz, wo er seine persönlichen Unterlagen aufbewahrt? Sollen wir uns nicht mal umsehen? Da müssten doch Kontoauszüge und Besitzurkunden sein, ich könnte wetten, dass irgendwo in diesem Haus eine Kopie des Testaments herumliegt.«
»Lettie könnte es wissen«, sagte Ramona.
»Wir
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