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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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einen. Das Haus war unverschlossen.«
    »Wer ist Calvin?«
    »Ein Weißer, der auf dem Anwesen arbeitet. Er meinte, Mr. Seth habe ihn gestern früh angerufen und gebeten, sich mit ihm um zwei Uhr nachmittags an der Brücke zu treffen. Und da war er ja dann auch.« Sie unterbrach ihre Schilderung, um sich die Augen zu tupfen.
    Herschel trank noch einen Schluck Kaffee. »Der Sheriff sagte, Dad habe eine Botschaft und ein paar Anweisungen hinterlassen.«
    »Ich habe nichts gesehen, aber Calvin. Er sagte, Mr. Seth hat aufgeschrieben, dass er sich das Leben nehmen wird.« Sie fing an zu weinen.
    Herschel wartete. Als sie sich wieder beruhigt hatte, fragte er: »Wie lange haben Sie hier gearbeitet, Lettie?«
    Sie atmete tief durch und wischte sich über die Wangen. »Ich weiß nicht genau, etwa drei Jahre. Am Anfang habe ich zweimal die Woche sauber gemacht, montags und mittwochs, nur ein paar Stunden, Mr. Seth hat allein gewohnt, und er war ziemlich ordentlich für einen Mann, da gab es nicht viel zu tun, wissen Sie. Dann hat er mich gebeten, für ihn zu kochen, und das hab ich sehr gern gemacht. Ich hab alles Mögliche vor gekocht und dann auf dem Herd stehen lassen oder einge froren. Das waren dann ein paar mehr Stunden. Als er krank wurde, hat er mich gebeten, jeden Tag zu kommen. Später ist er fast gar nicht mehr aus dem Bett aufgestanden, wegen der Chemo.«
    »Ich dachte, er hätte eine Krankenschwester gehabt.«
    Lettie wusste, wie selten Mr. Herschel und Mrs. Dafoe ihren krebskranken Vater besucht hatten. Sie wusste alles, während seine Kinder keine Ahnung hatten. Nichtsdestotrotz würde sie respektvoll sein, so wie immer.
    »Ja, Sir, das war auch eine Zeit lang so, aber irgendwann wollte er das nicht mehr. Die Frauen wechselten ständig, man wusste nie, wer als Nächstes auftauchen würde.«
    »Wie lange haben Sie in Vollzeit hier gearbeitet?«
    »Etwa ein Jahr lang.«
    »Wie viel hat Dad Ihnen bezahlt?«
    »Fünf Dollar die Stunde.«
    »Fünf Dollar! Ganz schön happig für eine Haushaltshilfe. Ich meine, okay, ich wohne in Memphis, das ist eine große Stadt, und meine Mutter zahlt ihrer Hilfe vier Dollar fünfzig.«
    Lettie nickte stumm, denn darauf hatte sie nichts zu erwidern. Sie hätte natürlich ausführen können, dass Mr. Seth sie oft bar bezahlt hatte, dass er ihr des Öfteren Trinkgeld zugesteckt hatte und ihr sogar fünftausend Dollar geliehen hatte, als ihr Sohn Ärger mit dem Gesetz bekam und ins Gefängnis musste. Dieses Darlehen hatte er ihr noch vor vier Tagen erlassen. Es gab nichts Schriftliches darüber.
    Missmutig trank Herschel seinen Kaffee. Lettie blickte zu Boden.
    Draußen in der Einfahrt fielen zwei Autotüren ins Schloss.
    Bei Ramona Hubbard Dafoe flossen die Tränen bereits, bevor sie das Haus betrat. Noch auf der Eingangsveranda umarmte sie ihren Bruder, der ein durchaus angemessen betroffenes Gesicht machte – die Augen fest zusammengepresst, die Lippen eingestülpt, die Stirn gerunzelt. Das Abbild eines leidenden Mannes. Ramona schluchzte, als würde sie echten Schmerz empfinden, wobei Herschel da seine Zweifel hatte.
    Schließlich ging Ramona hinein und schloss sofort Lettie in die Arme, als wären sie beide die leiblichen Kinder dessel ben liebevollen Vaters. Herschel blieb draußen stehen und begrüßte Ramonas Mann, mit dem ihn nichts verband außer herzlicher gegenseitiger Verachtung. Ian Dafoe war ein reiches Söhnchen aus einer Bankerfamilie in Jackson, der Hauptstadt und größten Metropole Mississippis, in der mindestens die Hälfte aller Arschlöcher des Bundesstaates lebte. Die Familienbanken waren längst Geschichte, doch Ian hatte nie die Attitüde des privilegierten Sprösslings aufgegeben, auch wenn er unter seinem Stand geheiratet hatte und sich inzwischen je den Cent genauso mühsam verdienen musste wie alle anderen auch.
    Während sie einander höflich die Hände schüttelten, blickte Herschel über Ians Schulter, um einen Blick auf dessen Auto zu werfen. Klar. Eine schimmernde weiße Mercedes-Limousine, ebenso nagelneu wie die Vorgängerwagen. Da Ramona ein Alkoholproblem hatte und ins Plaudern kam, wenn sie zu viel intus hatte, wusste er, dass Ian seine Autos für sechsunddreißig Monate leaste und nach Ablauf der Zeit sofort zurückgab. Die Raten belasteten ihr Budget, aber was spielte das für eine Rolle. Es war für Mr. und Mrs. Dafoe viel wichtiger, in Jackson mit einem anständigen Auto gesehen zu werden.
    Schließlich fanden sich alle im Wohnzimmer ein

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