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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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des Tisches warteten Wade Lanier, Lester Chilcott, Zack Zeitler und Joe Bradley Hunt zufrieden und schweigend auf eine Entscheidung, die unwiderruflich bestimmen sollte, welche Richtung das Verfahren nahm. Auf der anderen Seite saß Jake ganz allein und kritzelte Notizen, die nicht einmal er selbst lesen konnte. Er fühlte sich elend und konnte das Zittern seiner Hände nicht unterdrücken.
    Wade Lanier hatte einen schmutzigen Trick meisterhaft eingesetzt, und Jake kochte vor Wut. Gleichzeitig hätte er Lettie erwürgen können. Warum hatte sie die Pickering-Geschichte nie erwähnt? Seit Oktober hatten sie unzählige Stunden miteinander verbracht.
    Richter Atlee blies noch mehr Qualm in die Luft. »Das ist zu wichtig, um es auszuschließen. Ich werde Mr. Pickerings Aussage zulassen, aber nur eingeschränkt.«
    »Überraschende Präsentation eines Zeugen. Das ist ein Revisionsgrund. In zwei Jahren sitzen wir wieder hier«, sagte Jake verärgert.
    »Halten Sie mir keine Predigten«, blaffte Richter Atlee ihn an. »Der Oberste Gerichtshof hat noch nie ein Urteil von mir aufgehoben. Noch nie.«
    Jake holte tief Luft. »Entschuldigung.«
    Ancil erzählte achtundfünfzig Minuten lang seine Geschichte. Als er fertig war, wischte er sich über die feuchten Augen, sagte, er sei erschöpft, und verließ den Raum. Lucien bedankte sich bei Jared Wolkowicz für die Unterstützung. Er hatte dem Anwalt nicht gesagt, dass Ancil auf der Flucht war.
    Auf dem Rückweg zum Hotel sahen sie an einer Straßen ecke mehrere Polizeibeamte herumstehen und beschlossen, sich in ein Café zu flüchten. Sie versteckten sich in einer Sitznische und versuchten, Konversation zu machen. Lucien war immer noch aufgewühlt von den Geschichten, die Ancil erzählt hatte, aber keiner war in der Stimmung, das Thema zu vertiefen.
    »Ich habe noch zwei Übernachtungen im Hotel bezahlt«, sagte Lucien, »das Zimmer gehört Ihnen. Ich breche sofort auf. Im Schrank hängt eine alte Baumwollhose mit dreihundert Dollar in der Vordertasche. Die können Sie behalten.«
    »Danke, Lucien.«
    »Was haben Sie vor?«
    »Ich weiß nicht. Ins Gefängnis möchte ich wirklich nicht, also setze ich mich wahrscheinlich ab, wie üblich. Ich verschwinde einfach. Diese Witzfiguren erwischen mich schon nicht. Das ist für mich Routine.«
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Vielleicht lande ich irgendwann in Mississippi, nachdem mein lieber alter Bruder mich so hoch geschätzt hat. Wann komme ich an den Nachlass heran?«
    »Wer weiß? Darum wird gerade heftig gestritten. Vielleicht in einem Monat. Vielleicht in fünf Jahren. Sie haben meine Tele fonnummer. Rufen Sie mich in ein paar Wochen an, dann weiß ich wahrscheinlich mehr.«
    »Wird gemacht.«
    Lucien bezahlte den Kaffee, und sie verließen das Café durch eine Seitentür. In einer Gasse verabschiedeten sie sich von einander. Lucien wollte zum Flughafen, Ancil zum Hotel. Als er dort eintraf, wartete der Detective auf ihn.
    In dem überfüllten Sitzungssaal herrschte schockierte Stille, als Fritz Pickering seine Geschichte in allen verheerenden Einzelheiten erzählte. Lettie nahm sie zutiefst resigniert mit gesenktem Kopf hin, starrte zuerst auf den Boden und schloss dann gequält die Augen. Von Zeit zu Zeit schüttelte sie den Kopf, als wäre alles ganz anders gewesen, aber niemand im Saal glaubte ihr.
    Lügen, Lügen, Lügen.
    Fritz Pickering legte eine Kopie des handschriftlichen Testaments seiner Mutter vor. Jake erhob Einspruch gegen die Zulassung als Beweismittel, weil sich nicht nachweisen ließ, dass es tatsächlich Irene Pickerings Handschrift war, aber Richter Atlee hörte ihn kaum. Die Abschrift wurde als Beweismittel zu den Akten genommen. Wade Lanier bat seinen Zeugen, den vierten Absatz vorzulesen, dem zufolge Lettie Lang fünfzigtausend Dol lar hätte erhalten sollen. Er las laut und deutlich. Mehrere Geschworene schüttelten ungläubig den Kopf.
    Wade Lanier ließ nicht nach. »Mr. Pickering, Sie und Ihre Schwester haben sich also mit Lettie Lang an den Küchentisch gesetzt und ihr das handschriftliche Testament Ihrer Mutter gezeigt, richtig?«
    »Richtig.«
    »Und als sie vorhin ausgesagt hat, dass sie noch nie ein Testament zu Gesicht bekommen hat, war das eine Lüge?«
    »Würde ich sagen.«
    »Einspruch«, sagte Jake.
    »Abgelehnt«, zischte Atlee vom Richtertisch.
    Es war – zumindest für Jake – offensichtlich, dass Richter Atlee nun ihr Feind war. Er betrachtete Lettie als Lügnerin, und in seiner Welt gab es

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