Die Erbin
bist auf dich allein gestellt, Kumpel. Du hast die Sache so vermasselt, dass es hoffnungslos ist. Ich bin raus.«
Jake brach ein Stück Maisbrot ab und steckte es sich in den Mund. »Hast du nicht mit Lester Chilcott studiert?«
»Habe ich. Der größte Mistkerl an der juristischen Fakultät. Am Anfang war er ganz nett, aber dann hat er einen Job bei einer großen Kanzlei in Jackson an Land gezogen und war auf einmal ein Riesenarsch. So was kommt vor. Er ist nicht der Erste. Warum?«
»Schnapp ihn dir heute Nachmittag und sprich unter vier Augen mit ihm. Finde heraus, ob die sich auf einen Vergleich einlassen.«
»Okay. Was für einen Vergleich?«
»Weiß ich nicht, aber wenn sie gesprächsbereit sind, finden wir schon eine Lösung. Wenn ich mein Mandat niederlege, übernimmt wahrscheinlich Richter Atlee die Leitung der Verhandlungen und sorgt dafür, dass jeder etwas bekommt.«
»Das klingt schon besser. Einen Versuch ist es wert.«
Jake würgte ein Stück gebratene Okra hinunter.
Harry Rex war halb fertig und beäugte Jakes Teller. »Du hast doch mal Football gespielt, oder?«, fragte er.
»Ich hab’s zumindest versucht.«
»Weißt du, ich erinnere mich, dass du Quarterback für das miese kleine Team von Karaway warst, gewonnen habt ihr mei nes Wissens nie was. Was war die größte Schlappe, die ihr je einstecken musstet?«
»Ripley hat uns fünfzig zu null geschlagen, als ich in der elften Klasse war.«
»Wie schlimm sah es zur Halbzeit aus?«
»Sechsunddreißig zu null.«
»Und hast du aufgegeben?«
»Nein. Ich war doch der Quarterback.«
»Okay, du wusstest also schon in der Halbzeit, dass ihr nicht gewinnen konntet, aber du hast die Mannschaft trotzdem für die zweite Halbzeit zurück aufs Feld geführt und weitergespielt. Du hast damals nicht aufgegeben, und du kannst jetzt nicht aufgeben. Nach einem Sieg sieht es zum jetzigen Zeitpunkt ganz bestimmt nicht aus, aber du musst trotzdem zurück aufs Spielfeld. Im Augenblick scheint ihr am Ende zu sein, und die Geschworenen beobachten dich mit Argusaugen. Sei ein braver Junge, iss dein Gemüse, und dann fahren wir zurück.«
Die Geschworenen gingen getrennt zum Mittagessen und trafen sich um 13.15 Uhr wieder im Geschworenenzimmer. In kleinen Grüppchen unterhielten sie sich im Flüsterton über das Verfahren. Sie waren überrascht und verwirrt. Überrascht, dass es eine derart abrupte Wendung gegen Lettie Lang genommen hatte. Vor Fritz Pickerings Auftritt hatte das zusammengetragene Beweismaterial zunehmend darauf hingedeutet, dass Seth Hubbard ein Mann gewesen war, der getan hatte, was er wollte, und genau gewusst hatte, was er tat. Das hatte sich schlagartig geändert, und Lettie wurde nun mit großem Misstrauen betrachtet. Selbst die beiden schwarzen Geschworenen Michele Still und Barb Gaston schienen das sinkende Schiff zu verlas sen, verwirrt, weil sie nicht wussten, wie es weiterging. Wen würde Jake aufrufen, um den Schaden zu beheben? War das überhaupt möglich? Und wenn sie, die Geschworenen, das handschriftliche Testament ablehnten, was geschah dann mit all dem Geld? Es gab viele offene Fragen.
Es wurde so viel über die Sache geschnattert, dass sich der Sprecher Nevin Dark bemüßigt fühlte, sie daran zu erinnern, dass Richter Atlee solche Unterhaltungen missbilligte.
»Reden wir von was anderem«, sagte er höflich und bemüht, niemandem auf die Zehen treten. Schließlich war er nicht ihr Chef.
Um halb zwei betrat der Gerichtsdiener den Raum, zählte durch und sagte: »Gehen wir.« Sie folgten ihm in den Sitzungssaal. Nachdem sie Platz genommen hatte, blickten alle zwölf Lettie Lang an, die sich Notizen machte, ohne aufzusehen. Auch ihr Anwalt bedachte die Geschworenen diesmal nicht mit dem üblichen flüchtigen, aber charmanten Lächeln. Stattdessen hing er in seinem Stuhl, kaute auf einem Bleistift und gab sich alle Mühe, entspannt zu wirken.
»Mr. Lanier, Sie dürfen Ihren nächsten Zeugen aufrufen«, sagte Richter Atlee.
»Ja, Euer Ehren. Die anfechtenden Parteien rufen Mr. Herschel Hubbard auf.« Der trat in den Zeugenstand, lächelte die Geschworenen verlegen an, schwor, die Wahrheit zu sagen, und begann dann, eine Reihe banaler Fragen zu beantworten. Wade Lanier hatte ihn gut gedrillt. Hin und her ging es, bis alle Aspekte von Herschels ereignisarmem Leben abgedeckt waren. Wie immer wurde das Ganze etwas geschönt, und Herschel er innerte sich liebevoll an seine Kindheit, seine Eltern, seine Schwes ter und die
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