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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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keine größere Sünde. Im Laufe der Jahre hatte er mehrere Prozessparteien ins Gefängnis geschickt, weil er sie in flagranti bei einer Lüge ertappt hatte, aber dabei hatte es sich immer um Scheidungssachen gehandelt. Eine Nacht im Gefängnis wirkte bei der Suche nach der Wahrheit Wunder.
    Lettie war nicht in Gefahr, im Gefängnis zu landen, obwohl das die bei Weitem vorzuziehende Alternative gewesen wäre. Wenn er sich die unruhig gewordenen Geschworenen und ihre nervösen Blicke ansah, lief sie in diesem entsetzlichen Augen blick Gefahr, rund zwanzig Millionen Dollar, natürlich vor Steuern, zu verlieren.
    Wenn ein Zeuge die Wahrheit sagt, und zwar eine unangenehme Wahrheit, bleibt einem Prozessanwalt nichts anderes übrig, als die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu erschüttern. Jake setzte eine stoische Miene auf, als würde ihn Fritz Pickerings Aussage nicht im Geringsten überraschen, aber dahinter suchte er verzweifelt nach einer Schwachstelle. Was hatte Picke ring von seiner Aussage? Warum verschwendete er seine Zeit damit?
    »Mr. Brigance«, sagte Richter Atlee, als Lanier ihm den Zeugen überließ.
    Jake erhob sich rasch und gab sich so selbstbewusst wie möglich. Die erste Regel, die jeder Prozessanwalt lernt, ist, keine Fragen zu stellen, deren Antwort man nicht kennt. Aber im Angesicht der sicheren Niederlage warf Jake alle Regeln über den Haufen. Er versuchte es mit einem Schuss aus der Hüfte.
    »Mr. Pickering, wie viel erhalten Sie dafür, dass Sie heute hier aussagen?«
    Die Kugel landete genau zwischen den Augen. Pickering zuckte zusammen, ließ das Kinn hängen und warf Wade Lanier einen verzweifelten Blick zu.
    Lanier zuckte die Achseln und nickte. Nur zu, das ist keine große Sache.
    »Siebentausendfünfhundert Dollar«, sagte Pickering.
    »Und wer bezahlt Sie?«, fragte Jake.
    »Der Scheck kam von Mr. Laniers Kanzlei.«
    »Und wie lautet das Datum auf dem Scheck?«
    »Das weiß ich nicht mehr genau, aber ich habe ihn etwa vor einem Monat bekommen.«
    »Sie haben also vor einem Monat eine Absprache getroffen. Sie haben sich bereit erklärt, herzukommen und auszusagen, und Mr. Lanier hat Ihnen das Geld geschickt, richtig?«
    »Das ist richtig.«
    »Haben Sie nicht ursprünglich mehr als siebentausendfünfhundert verlangt?« Jake stocherte immer noch blind im Nebel, ohne irgendetwas über die Fakten zu wissen. Aber er hatte so ein Gefühl.
    »Na ja, ich habe schon mehr verlangt.«
    »Sie wollten mindestens zehntausend, stimmt’s?«
    »So ungefähr«, gab Pickering zu und sah erneut Lanier an.
    Jake las seine Gedanken. »Und Sie haben Mr. Lanier mitgeteilt, Sie würden nur aussagen, wenn Sie Geld dafür bekämen?«
    »Damals habe ich nicht mit Mr. Lanier gesprochen. Es war einer seiner Privatdetektive. Mr. Lanier bin ich heute Vormittag zum ersten Mal begegnet.«
    »Unabhängig davon wollten Sie ohne Bezahlung nicht aussagen, richtig?«
    »Das ist richtig.«
    »Wann sind Sie von Shreveport hergefahren?«
    »Gestern am späten Nachmittag.«
    »Und wann werden Sie Clanton verlassen?«
    »So bald wie möglich.«
    »Es handelt sich also um einen kurzen Ausflug von vielleicht vierundzwanzig Stunden?«
    »So ungefähr.«
    »Siebentausendfünfhundert Dollar für vierundzwanzig Stun den. Sie sind ein teurer Zeuge.«
    »Ist das eine Frage?«
    Jake hatte eine Glückssträhne, aber er wusste, dass sie nicht halten würde. Er warf einen Blick auf seine unlesbaren Notizen und wechselte die Taktik. »Mr. Pickering, hat Lettie Lang Ihnen nicht gesagt, dass sie mit der Erstellung des Testaments nichts zu tun hatte?«
    Jake hatte keine Ahnung, was Lettie getan hatte, er musste den Vorfall erst mit ihr besprechen. Das würde ein unangenehmes Gespräch werden, das voraussichtlich in der Mittagspause stattfinden würde.
    »Das hat sie gesagt«, erwiderte Pickering.
    »Und hat sie nicht versucht, Ihnen zu erklären, dass Ihre Mut ter das Testament ihr gegenüber nie erwähnt hatte?«
    »Das hat sie.«
    »Woher haben Sie diese Kopie des Testaments?«
    »Die hatte ich behalten.« Tatsächlich war sie ohne Absender mit der Post gekommen, aber das würde nie jemand erfahren.
    »Keine weiteren Fragen«, sagte Jake und setzte sich.
    »Die Verhandlung ist bis halb zwei unterbrochen«, verkündete Richter Atlee.

44
    Jake und Harry Rex verließen fluchtartig die Stadt. Mit Jake am Steuer rasten sie weit aufs Land hinaus, legten immer mehr Kilometer zwischen sich und den Albtraum im Gerichtssaal. Sie wollten nicht riskieren,

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