Die Erbin
Aktenkoffer hinein und kam mit demselben Aktenkoffer wieder heraus. Sie fuhr ihn zu seinem Haus zurück und war gegen Mittag daheim. Am späten Sonntagabend rief Calvin Boggs an und teilte ihr mit, Mr. Hubbard habe sich erhängt.
Um elf Uhr, nach fast zwei Stunden im Zeugenstand, überließ Jake seine Zeugin der Gegenseite zum Kreuzverhör. Während der kurzen Pause lobte er Lettie für ihre hervorragende Leistung. Portia war begeistert und sehr stolz, ihre Mutter hatte die Fassung behalten und überzeugend gewirkt. Harry Rex, der aus der hinteren Reihe alles verfolgt hatte, sagte, ihre Aussage hätte nicht besser ausfallen können.
Als es zwölf Uhr wurde, standen sie vor einem Scherben haufen.
Einem Flüchtigen Unterschlupf zu gewähren war mit Sicherheit in jedem Bundesstaat, einschließlich Alaska, eine Straftat, was bedeutete, dass er eine Gefängnisstrafe riskierte, aber das beunruhigte Lucien im Augenblick nicht weiter. Als er bei Sonnenaufgang erwachte, war er steif, weil er in einem Sessel gedöst hatte und immer wieder aufgewacht war. Ancil hatte das Bett für sich allein gehabt. Er hatte sich erboten, auf dem Boden oder in einem Sessel zu schlafen, aber Lucien machte sich wegen der Kopfverletzungen Sorgen und hatte darauf bestanden, dass er das Bett nahm. Ein Schmerzmittel hatte ihn ins Land der Träume befördert, während Lucien noch lange mit seinem letz ten Jack Daniel’s mit Cola im Dunkeln gesessen und auf das Schnarchen seines Gastes gelauscht hatte.
Leise zog er sich an und verließ das Zimmer. Die Lobby des Hotels war menschenleer. Keine Cops, die auf der Suche nach Ancil herumschnüffelten. Ein paar Häuser weiter kaufte er Kaffee und Muffins, die er auf das Zimmer mitnahm, wo Ancil inzwischen aufgewacht war und die Lokalnachrichten sah.
»Kein Wort«, meldete er.
»Überrascht mich nicht«, sagte Lucien. »Ich glaube nicht, dass die mit großem Einsatz suchen.«
Sie frühstückten, duschten nacheinander, zogen sich an und verließen um acht Uhr das Zimmer. Ancil trug Luciens schwarzen Anzug, sein weißes Hemd und seine Paisley-Krawatte, die Kappe vom Vortag hatte er tief ins Gesicht gezogen. In aller Eile begaben sie sich zur Kanzlei von Jared Wolkowicz, einem Anwalt, den ihnen Bo Buck von der Bar des Glacier Inn empfohlen hatte. Lucien hatte Mr. Wolkowicz noch spät am Vorabend aufgesucht, ihn engagiert und die Protokollierung einer Zeugenaussage arrangiert. Eine Gerichtsstenografin und ein Videofilmer warteten im Besprechungszimmer. An einem Ende des Tisches erhob sich Mr. Wolkowicz, hob die rechte Hand, sprach der Gerichtsstenografin nach und schwor die Wahrheit zu sagen, dann setzte er sich so, dass er in die Kamera blickte.
»Guten Morgen«, sagte er. »Mein Name ist Jared Wolkowicz, ich bin im Staat Alaska ordnungsgemäß zugelassener Anwalt. Heute ist Mittwoch, der 5. April 1989, und ich befinde mich in meiner Kanzlei in der Franklin Street im Zentrum von Juneau, Alaska. Bei mir sind Lucien Wilbanks aus Clanton, Mississippi, sowie ein Mann namens Ancil Hubbard, der gegenwärtig in Juneau wohnhaft ist. Zweck dieser Protokollierung ist die Auf zeichnung der Zeugenaussage von Mr. Hubbard. Ich weiß nichts über die Sache, die uns herführt. Meine Aufgabe ist nur zu bestätigen, dass es sich um eine korrekte Aufzeichnung der heutigen Geschehnisse handelt. Sollte ein mit der Sache befasster Anwalt oder Richter mit mir sprechen wollen, stehe ich gern zur Verfügung.«
Wolkowicz räumte den Stuhl, und Lucien trat vor. Er wurde von der Gerichtsstenografin beeidigt und setzte sich dann ebenfalls so, dass er in die Kamera blickte.
»Mein Name ist Lucien Wilbanks, und ich bin Richter Atlee und den Anwälten im Verfahren um das Testament von Seth Hubbard persönlich bekannt. In Zusammenarbeit mit Jake Brigance und anderen ist es mir gelungen, Ancil Hubbard aufzuspüren. Ich habe mehrere Stunden mit Ancil verbracht und bin fest davon überzeugt, dass er tatsächlich der Bruder des verstorbenen Seth Hubbard ist. Er wurde 1922 in Ford County geboren. Sein Vater war Cleon Hubbard. Seine Mutter war Sarah Belle Hubbard. 1928 engagierte sein Vater Cleon meinen Großvater Robert E. Lee Wilbanks, um ihn in einem Rechtsstreit um ein Stück Land zu vertreten. Dieser Rechtsstreit ist heute relevant. Hier ist Ancil Hubbard.«
Lucien räumte den Stuhl, und Ancil nahm Platz. Er hob die rechte Hand und schwor, die Wahrheit zu sagen.
Wade Lanier begann sein vernichtendes Kreuzverhör mit Fragen nach
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