Die Erbin
kann. Er sagt, er hat seine besten Zeugen schon aufgerufen.«
»Sieht so aus, als hätten sie ihn kalt erwischt. Als hätten die Anwälte aus Jackson die Oberhand.«
»Mal sehen. Vielleicht ist es noch nicht vorbei.«
»Sieht schlecht aus.«
»Behalt das für dich.«
»Keine Sorge.«
In der Kanzlei Sullivan wurde nicht gerade mit Champagner gefeiert, aber dafür floss guter Wein. Walter Sullivan, der in den Ruhestand gegangene Partner, der die Kanzlei vor fünfundvierzig Jahren gegründet hatte, war ein Kenner und hatte kürzlich einen edlen italienischen Barolo entdeckt. Nach einem leichten Arbeitsessen im Besprechungszimmer entkorkte er ein paar Flaschen, holte kostbare Kristallkelche, und dann ging es los mit der Weinprobe.
Die Stimmung war geradezu triumphal. Myron Pankey hatte schon Tausende von Jurys beobachtet und noch keine gesehen, die so schnell so gründlich ihre Meinung geändert hatte.
»Die haben Sie in der Tasche, Lanier«, sagte er.
Lanier wurde als Magier im Gerichtssaal gefeiert, der es entgegen der Prozessordnung geschafft hatte, Kaninchen aus dem Hut zu zaubern.
»Das haben wir dem Richter zu verdanken«, sagte er bescheiden und mehr als einmal. »Er will eben einen fairen Prozess.«
»Bei Prozessen geht es nicht um Fairness, Lanier«, schalt Mr. Sullivan. »Da geht es ums Gewinnen.«
Lanier und Chilcott konnten das Geld fast schon riechen. Achtzig Prozent des Brutto-Nachlasses für ihre Mandanten, abzüglich Steuern und so, und ihre kleine zehnköpfige Prozesskanzlei würde ein Netto-Honorar von mehr als zwei Millionen Dollar einstreichen. Sobald das handschriftliche Testament für ungültig erklärt war, würden sie sich mit dem Vorgängertestament befassen. Der größte Teil des Vermögens war Bargeld. Vielleicht ließ sich ein langwieriges Nachlassverfahren vermeiden.
Herschel war in Memphis, von wo aus er mit seinen beiden Kindern zur Verhandlung pendelte. Die Familie Dafoe war im Gästehaus eines Freundes in der Nähe des Country Club untergekommen. Alle waren bester Stimmung, konnten es gar nicht erwarten, das Geld in die Finger zu bekommen und ihr normales Leben wieder aufzunehmen. Wenn Lanier seinen Wein ausgetrunken hatte, würde er sie anrufen und ihre Beifallsbekundungen entgegennehmen.
Eine Stunde nach seiner Unterhaltung mit Tully Still lehnte Ozzie vor Jakes Haus an der Motorhaube seines Streifenwagens und rauchte mit seinem Lieblingsanwalt eine Zigarre.
»Tully sagt, es steht zehn zu zwei«, erklärte Ozzie.
Jake paffte vor sich hin. »Keine große Überraschung.«
»Sieht so aus, als wäre es Zeit, die Zelte abzubrechen, Jake. Die Party ist vorbei. Schlag was für Lettie heraus und mach, dass du wegkommst. Viel wird sie nicht brauchen. Regele das mit einem Vergleich, bevor die Sache den Geschworenen übergeben wird.«
»Wir versuchen es ja, Ozzie. Harry Rex hat heute Nachmittag zweimal mit Laniers Leuten geredet. Die haben ihn nur ausgelacht. Man kann keinen Vergleich schließen, wenn einen die andere Seite auslacht. Im Moment wäre ich mit einer Million zufrieden.«
»Eine Million! Wie viele Schwarze hier in der Gegend ha ben eine Million, Jake? Du denkst zu sehr wie ein Weißer. Hol eine halbe Million für sie heraus, eine Viertelmillion, überhaupt irgendwas.«
»Wir versuchen es morgen wieder. Ich sehe mir an, wie der Vormittag läuft, dann sprechen wir in der Mittagspause Wade Lanier an. Er weiß, wie es steht, und er beherrscht das Spiel offensichtlich. Der war auch schon in meiner Lage. Ich glaube, ich kann mit ihm reden.«
»Beeil dich, Jake, und sieh zu, dass du aus diesem verflixten Prozess herauskommst. Mit diesen Geschworenen willst du nichts zu tun haben. Das ist nicht wie bei Hailey.«
»Nein, ist es nicht.«
Jake bedankte sich und ging hinein. Carla lag bereits im Bett, las und sorgte sich um ihren Ehemann. »Was war denn da los?«, fragte sie, während er sich auszog.
»Nur Ozzie. Er macht sich Sorgen wegen des Verfahrens.«
»Warum treibt sich Ozzie um diese Zeit draußen herum?«
»Du kennst Ozzie doch. Er schläft nie.« Jake ließ sich quer über das Ende des Bettes fallen und rieb ihr unter der Decke die Beine.
»Du auch nicht. Kann ich dich was fragen? Du steckst gerade wieder mitten in einem großen Prozess. Du hast letzte Woche keine vier Stunden pro Nacht geschlafen, und wenn du schläfst, bist du unruhig und hast Albträume. Du isst nicht richtig. Du wirst immer dünner. Du machst dir Sorgen, bist die Hälfte der Zeit nicht
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