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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Schmerzen bei Krebspatienten verbracht. Er hatte erlebt, dass Patienten über einen längeren Zeitraum hinweg weinten und schrien, leichenblass wurden, sich unkontrollierbar er brachen, um Medikamente flehten, das Bewusstsein verloren und sogar um den Tod bettelten. Selbstmordgedanken waren häufig, Selbstmord keine Seltenheit. Demerol war eine der beliebteren und wirkungsvolleren Behandlungsmethoden. An dieser Stelle wich Dr. Niehoff vom Drehbuch ab und konnte sich einige Fachausdrücke nicht verkneifen, wie so oft, wenn Experten der Versuchung nicht widerstanden, ihre Zuhörer zu be eindrucken. Er bezeichnete das Medikament als Pethidinhydro chlorid, sagte, es handle sich um ein narkotisches Schmerzmittel, einen schmerzlindernden Wirkstoff aus der Gruppe der Opioide.
    Lanier stoppte ihn und brachte sein Vokabular wieder unter Kontrolle. Dr. Niehoff erklärte den Geschworenen, Demerol sei ein starkes Schmerzmittel und besitze ein hohes Suchtpotenzial. Er hatte während seines gesamten Berufslebens mit diesem Medikament gearbeitet und zahlreiche Artikel darüber veröffent licht. Üblicherweise verabreichten Ärzte es im Krankenhaus oder in der Praxis, in einem Fall wie dem von Seth Hubbard war es jedoch nicht ungewöhnlich, dass dem Patienten gestattet wurde, es oral zu Hause einzunehmen. Es konnte bei diesem Mittel leicht zu Missbrauch kommen, vor allem wenn jemand unter so starken Schmerzen litt wie Seth Hubbard.
    Jake erhob sich. »Einspruch, Euer Ehren. Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass Seth Hubbard das Medikament missbräuchlich verwendet hat.«
    »Stattgegeben. Halten Sie sich an die Fakten, Dr. Niehoff.«
    Dr. Niehoff war ein hervorragender Zeuge. Seine Beschreibung der Tumoren, der Schmerzen und des Medikaments waren detailliert, und nachdem er fünfundvierzig Minuten lang ausgesagt hatte, fiel es leicht zu glauben, dass Seth Hubbard sehr gelitten hatte und seine Schmerzen nur durch hohe Dosen Demerol hatte lindern können, ein Medikament, das ihn zumindest teilweise außer Gefecht setzte. Als Sachverständiger war Dr. Niehoff überzeugt, dass die tägliche Einnahme und kumulative Wirkung des Medikaments Seth Hubbard so beeinträchtigt hatten, dass er in seinen letzten Tagen nicht klar hatte denken können.
    Im Kreuzverhör verlor Jake noch mehr Boden. Als er versuchte klarzustellen, dass Dr. Niehoff keine Ahnung haben konnte, wie viel von dem Medikament Seth eingenommen hatte, »garantierte« der Sachverständige Jake, dass jeder, der so leide wie Seth Hubbard, nach Demerol lechze.
    »Wenn er eine Verordnung hatte, dann hat er die Pillen auch genommen, Mr. Brigance.«
    Nach ein paar weiteren fruchtlosen Fragen setzte Jake sich wieder. Die beiden Ärzte hatten genau das erreicht, was Wade Lanier beabsichtigt hatte. Im Augenblick waren die Geschworenen und praktisch alle anderen im Gerichtssaal davon überzeugt, dass Seth Hubbard desorientiert, benommen und schläfrig gewesen war, unter Realitätsverlust gelitten hatte und nicht mehr hatte fahren können, weshalb er Lettie gebeten hatte, das zu übernehmen.
    Kurzum, er war nicht testierfähig gewesen.
    Nach einer zehnminütigen Unterbrechung fuhr Lanier fort und rief Lewis McGwyre als Zeugen auf. Da die Kanzlei Rush auf so hinterhältige Weise aus dem Verfahren gedrängt worden war und damit jede Aussicht auf das Honorar verloren hatte, hatte sich McGwyre zunächst geweigert auszusagen. Also tat Wade Lanier das Unvorstellbare: Er ließ einen anderen Anwalt unter Strafandrohung vorladen. In kürzester Zeit hatte Lanier nachgewiesen, dass McGwyre im September 1987 ein umfangreiches Testament für Seth Hubbard verfasst hatte. Dieses wurde als Beweismittel zu den Akten genommen, und McGwyre wurde entlassen. Obwohl er gern geblieben wäre und das Ver fahren weiter verfolgt hätte, ließ sein Stolz es nicht zu. Gemeinsam mit Stillman Rush eilte er aus dem Sitzungssaal.
    Duff McClennan trat in den Zeugenstand, wurde vereidigt und erklärte den Geschworenen, er sei Steueranwalt und leite in Atlanta eine Kanzlei mit dreihundert Mitarbeitern. Seit dreißig Jahren war er auf Nachlassplanung spezialisiert. Er setzte Testamente auf, umfangreiche Werke für Wohlhabende, die so viel Erbschaftssteuer wie möglich sparen wollten. Er hatte die von Quince Lundy eingereichte Vermögensaufstellung geprüft und das von Seth Hubbard unterzeichnete handschriftliche Testament. Dann warf Lanier eine Reihe von Berechnungen auf eine Leinwand, und McClennan stürzte sich

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