Die Erbin
eine Sache«, erklärte Jake. »Wir haben Ancil Hubbard in Juneau, Alaska, ausfindig gemacht. Er ist am Leben und bei guter Gesundheit, aber nicht in der Lage, kurzfristig zur Verhandlung zu erscheinen. Er ist in diesem Verfahren Betroffener und sollte deswegen berücksichtigt werden. Daher beantrage ich, das Verfahren für fehlerhaft zu erklären und neu aufzurollen, wenn Ancil Hubbard dabei sein kann.«
»Antrag abgelehnt«, verkündete Richter Atlee, ohne zu zögern. »Er könnte nichts zur Klärung der Gültigkeit dieses Testaments beitragen. Wie haben Sie ihn gefunden?«
»Das ist eine lange Geschichte, Euer Ehren.«
»Heben Sie sich die für später auf. Sonst noch etwas?«
»Nicht von meiner Seite.«
»Sind Ihre nächsten Zeugen bereit, Mr. Lanier?«
»Ja.«
»Dann machen wir weiter.«
Nachdem er die Geschworenen sicher in der Tasche hatte, wollte Wade Lanier sie auf keinen Fall langweilen. Er hatte beschlos sen, sich auf das Wesentliche zu beschränken und die Sache so schnell wie möglich der Jury zu übergeben. Den gesamten Donnerstag über würde seine Seite ihre verbliebenen Zeugen aufrufen. Falls Jake noch irgendwas in petto hatte, konnte er dann seinerseits Zeugen aufrufen, um den Gegenbeweis anzutreten. Beide Anwälte würden ihre Schlussplädoyers am Freitagvormittag halten, und direkt nach dem Mittagessen würde die Sache an die Geschworenen gehen. Da das Wochenende nahte und ihre Entscheidungen quasi feststanden, würden sie ihre Beratungen abschließen und sich auf ein Urteil einigen, lange bevor das Gericht um fünf Uhr schloss. Lanier und Chilcott würden rechtzeitig für ein spätes Abendessen mit ihren Ehefrauen wieder in Jackson sein.
Anwälte mit ihrer Erfahrung hätten es eigentlich besser wissen müssen, als den Rest des Verfahrens im Voraus zu planen.
Ihr erster Zeuge am Donnerstagmorgen war ein pensionierter Onkologe aus Jackson, ein gewisser Dr. Swaney. Jahrzehntelang hatte er als Arzt praktiziert und zugleich an der Universität gelehrt. Sein Lebenslauf war makellos, genau wie seine Manie ren, und er sprach mit einem starken ländlichen Akzent, der ihn bescheiden wirken ließ. Er war durch und durch glaubwürdig. Mit möglichst wenigen Fachausdrücken beschrieb Dr. Swaney den Geschworenen die Art von Krebs, an der Seth Hubbard unheilbar erkrankt war, wobei er besonders die Metastasen an Wirbelsäule und Rippen erwähnte. Er schilderte die heftigen Schmerzen, die solche Tumore auslösten. Er hatte Hunderte von Patienten mit ähnlichen Erkrankungen behandelt, und sie verursachten die schlimmsten Schmerzen, die man sich vorstellen konnte. Demerol war mit Sicherheit eines der wirksamsten Medikamente überhaupt. Eine orale Dosis von einhundert Milligramm alle drei bis vier Stunden war nicht ungewöhnlich und konnte die Schmerzen zumindest lindern. Normalerweise führte dies beim Patienten zu Benommenheit, Schläfrigkeit, Schwindel, häufig auch Übelkeit und beeinträchtigte zahlreiche Routinefunktionen. Autofahren war auf keinen Fall möglich. Und selbstverständlich sollten wichtige Entscheidungen nie un ter Einfluss einer so hohen Dosis Demerol getroffen werden.
In seiner Anfangszeit als Anwalt hatte Jake gelernt, dass es sinnlos war, mit einem echten Experten zu diskutieren. Ein Scharlatan bot oft Gelegenheit zu einem wahren Gemetzel vor den Augen der Geschworenen, aber bei Zeugen wie Dr. Swaney war das anders. Im Kreuzverhör stellte Jake klar, dass Dr. Talbert, der behandelnde Arzt von Seth Hubbard, nicht sicher gewesen sei, wie viel Demerol dieser in den Tagen vor seinem Tod genommen habe. Der Zeuge gab zu, dass dies reine Spekulation sei, erinnerte Jake jedoch höflich daran, dass Patienten selten ein teures Medikament nachkauften, wenn sie es nicht nähmen.
Der nächste Sachverständige war ebenfalls Arzt, ein Dr. Niehoff von der medizinischen Fakultät der University of California, Los Angeles. Kleinstadtgeschworene lassen sich leicht von Experten beeindrucken, die eine weite Anreise in Kauf nehmen, um Zeit mit ihnen zu verbringen, und das wusste niemand besser als Wade Lanier. Einem Sachverständigen aus Tupelo hörten sie zu, einer aus Memphis war noch glaubwürdiger. Wenn derselbe Mann aber aus Kalifornien kam, hing die Jury geradezu an seinen Lippen und nahm jedes Wort begierig auf.
Für zehntausend Dollar von Wade Laniers Geld plus Spe sen erklärte Dr. Niehoff den Geschworenen, er habe die letzten fünfundzwanzig Jahre mit der Erforschung und Behandlung von
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