Die Erbin
anziehenden Schwarzen nachgestellt hatte, dann hatte er es bestimmt auch bei Lettie versucht.
Sie trat in den Zeugenstand und lächelte die Geschworenen nervös an. Lanier stellte ein paar einleitende Fragen und kam dann direkt zum Thema. Er reichte ihr einige Dokumente.
»Können Sie mir bitte sagen, was das ist?«
Sie warf einen raschen Blick darauf. »Ja, das ist eine Klage wegen sexueller Belästigung, die ich vor fünf Jahren gegen Seth Hubbard eingereicht habe.«
Jake war aufgesprungen und brüllte geradezu: »Einspruch, Euer Ehren. Sofern der Vertreter der Gegenseite nicht erklä ren kann, warum das relevant ist, darf es hier nicht zugelassen werden.«
Lanier hatte sich ebenfalls erhoben und war kampfbereit. »Das ist sehr wohl relevant, Euer Ehren«, verkündete er mit lauter Stimme.
Richter Atlee hob beide Hände. »Ruhe.« Er sah auf die Uhr, blickte die Geschworenen an und überlegte einen Augenblick. »Bitte bleiben Sie alle hier«, sagte er dann, »wir machen fünf Minuten Pause. Die Anwälte kommen zu mir ins Richter zimmer.«
In aller Eile marschierten sie zu seinem Richterzimmer. Jake war so wütend, dass er am liebsten irgendwem eine verpasst hätte, und Lanier schien der Auseinandersetzung nicht aus dem Weg gehen zu wollen.
»Was wird sie aussagen?«, fragte Richter Atlee, als Lester Chilcott die Tür geschlossen hatte.
»Sie hat im südlichen Georgia für eine von Seth Hubbards Firmen gearbeitet«, erwiderte Lanier. »Dort sind sie sich begegnet, er hat ihr eindeutige Avancen gemacht, sie bedrängt, Sex mit ihm zu haben, und sie gefeuert, als sie nicht mehr wollte. Der Rechtsstreit wurde durch einen außergerichtlichen Vergleich beigelegt.«
»Und das war vor fünf Jahren?«, fragte Jake.
»Ja.«
»Und inwiefern ist das für das jetzige Verfahren relevant?«, fragte Richter Atlee.
»Oh, es ist in hohem Maße relevant, Euer Ehren«, antwortete Lanier lässig und durch die monatelange Vorbereitung eindeutig im Vorteil.
Jake war völlig überrumpelt und so wütend, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.
»Es geht um die Frage der unzulässigen Beeinflussung«, fuhr Lanier fort. »Mrs. Kidd war bei Mr. Hubbard angestellt, genau wie Mrs. Lang. Seth Hubbard neigte dazu, Frauen, die bei ihm beschäftigt waren, egal welcher Hautfarbe, zu verführen. Diese Schwäche führte zu Entscheidungen, die finanziell gesehen irrational waren.«
»Mr. Brigance?«
»Schwachsinn. Erstens dürfte ihre Aussage gar nicht zugelassen werden, weil sie erst vor zwei Wochen als Zeugin benannt wurde, ein klarer Verstoß gegen die Prozessordnung. Zweitens hat das, was Mr. Hubbard vor fünf Jahren getan hat, nichts mit seiner Testierfähigkeit im vergangenen Oktober zu tun. Und offensichtlich gibt es nicht den geringsten Beweis, dass er intime Beziehungen zu Lettie Lang unterhielt. Mir ist egal, mit wie vielen Frauen, gleich ob schwarz oder weiß, er es vor fünf Jahren getrieben hat.«
»Wir halten es für beweisrechtlich relevant«, sagte Lanier.
»Schwachsinn, dann ist alles beweisrechtlich relevant«, erwiderte Jake.
»Mäßigen Sie Ihre Sprache, Mr. Brigance«, mahnte Richter Atlee.
»Tut mir leid.«
Richter Atlee hob eine Hand, und es trat Ruhe ein. Er zündete eine Pfeife an, paffte mächtig, tigerte zum Fenster und zurück. »Ich finde Ihre Argumentation überzeugend, Mr. Lanier«, sagte er. »Beide Frauen waren bei ihm angestellt. Ich lasse die Aussage zu.«
»Wer braucht da noch eine Prozessordnung?«, schäumte Jake.
»Kommen Sie heute nach der Verhandlung zu mir, Mr. Brigance«, sagte Richter Atlee streng und blies eine weitere Rauchwolke in die Luft. Dann legte er seine Pfeife beiseite. »Machen wir weiter.«
Die Anwälte versammelten sich erneut im Gerichtssaal. Portia beugte sich vor. »Was war los?«, flüsterte sie.
»Der Richter tickt nicht mehr richtig, das ist alles.«
Julina erzählte dem atemlos lauschenden Publikum ihre Geschichte. Die plötzliche Beförderung, der neue Pass, die Reise nach Mexiko City mit dem Chef, das Luxushotel und die Zimmer mit Verbindungstür, der Sex und die Schuldgefühle. Nach ihrer Rückkehr hatte er sie sofort gefeuert und aus dem Gebäude führen lassen. Sie hatte ihn verklagt, und Mr. Hubbard hatte sich schnell auf einen außergerichtlichen Vergleich eingelassen.
Die Aussage war für den Erbschaftsstreit nicht relevant. Sie war skandalös und würde sich einprägen, aber während Jake zuhörte, gelangte er immer mehr zu der Überzeugung,
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