Die Erbin
in langwierige Ausführungen darüber, wie bundes- und einzelstaatliche Steuern einen Nachlass aufzehrten, wenn keine Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Er entschuldigte sich für die Finessen, die Widersprüche und die unfassbaren Banalitäten »unserer lieben Steuerordnung« und ihre Komplexität.
»Ich habe mir das nicht ausgedacht. Das war der Kongress«, sagte er zweimal.
Lanier wusste sehr wohl, dass die Geschworenen von seiner Aussage gelangweilt, wenn nicht gar abgestoßen sein würden, daher gab er sich alle Mühe, die Sache zu beschleunigen, nur die Highlights zu behandeln und die restliche Steuerordnung im Dunkeln zu belassen.
Jake hatte nicht vor, Einspruch zu erheben und die Qual zu verlängern. Die Geschworenen waren ohnehin schon unruhig.
Endlich kam McClennan darauf zu sprechen, was unter dem Strich übrig blieb. »Meines Erachtens wird sich die gesamte Steuerbelastung durch bundes- und einzelstaatliche Abgaben auf einundfünfzig Prozent belaufen.«
»12,24 Millionen Dollar an Steuern«, schrieb Lanier in fetten Lettern und projizierte es auf die Leinwand.
Aber der Spaß ging erst richtig los. McClennan hatte das von Lewis McGwyre verfasste Testament geprüft. Dabei han delte es sich hauptsächlich um eine komplizierte Verschach telung von Treuhandvermögen, wobei Herschel und Ramona sofort je eine Million Dollar erhalten sollten, während der Rest festgelegt war und über viele Jahre nach und nach an die Familie ausgezahlt werden sollte. Notgedrungen gingen er und Lanier ins Detail. Jake beobachtete, wie ein Geschworener nach dem anderen wegdämmerte. Selbst McClennans abgespeckte Version der beabsichtigten Wirkung des Testaments war schwere Kost und gelegentlich geradezu lächerlich unverständlich. Doch Lanier war nicht zu bremsen. Er nahm Fahrt auf und warf immer wieder Zahlen auf die Leinwand. Endergebnis war, dass bei dem Testament von 1987 nach sachverständiger Auskunft von McClennan insgesamt nur »bis auf wenige Dollar genau 9,1 Millionen Dollar bundes- und einzelstaatliche Steuern zu zahlen waren«.
Die Differenz von 3,14 Millionen Dollar wurde in fetten Lettern auf die Leinwand geworfen.
Die Botschaft war unmissverständlich: Seths hastig hingeschmiertes, eigenhändiges Testament kostete den Nachlass viel Geld, ein weiterer Beweis dafür, dass er nicht bei klarem Verstand gewesen war.
Jake hatte während des Jurastudiums gelernt, die Steuerord nung zu vermeiden, und in den vergangenen zehn Jahren je den potenziellen Mandanten, der sich steuerlich beraten lassen wollte, erfolgreich abgewimmelt. Er konnte dazu nichts sagen, weil er über dieses Rechtsgebiet zu wenig wusste. Als Lanier ihm den Zeugen überließ, verzichtete Jake auf ein Kreuzverhör. Er wusste, dass sich die Geschworenen langweilten und zum Mittagessen wollten.
»Pause bis halb zwei«, sagte Richter Atlee. »Mr. Brigance.«
Jake hatte vorgehabt, sich Lanier zu schnappen und zu fragen, ob er fünf Minuten Zeit habe. Nun wurden seine Pläne über den Haufen geworfen. Er traf sich mit Richter Atlee in dessen Büro ein paar Türen weiter auf demselben Gang.
Nachdem der Richter die Robe abgelegt und seine Pfeife angezündet hatte, setzte er sich und fixierte Jake. »Sie sind nicht zufrieden mit meinen Entscheidungen«, sagte er in aller Ruhe.
Jake schnaubte. »Nein, das bin ich nicht. Sie haben Wade Lanier gestattet, diesen Prozess mit schmutzigen Tricks, mit Überraschungszeugen, auf die ich mich nicht vorbereiten konnte, an sich zu reißen.«
»Aber Ihre Mandantin hat gelogen.«
»Sie ist nicht meine Mandantin. Ich vertrete den Nachlass. Ja, Mrs. Lang war nicht aufrichtig. Sie wurde kalt erwischt, aus dem Hinterhalt. In ihrer protokollierten Zeugenaussage heißt es eindeutig, dass sie sich nicht an all die weißen Familien erinnern kann, für die sie gearbeitet hat. Nachdem die Pickering-Episode so unangenehm war, hat sie sicherlich alles getan, um sie zu vergessen. Und der wichtigste Aspekt an dieser kleinen Geschichte ist, dass Lettie Lang nichts von dem handschriftlichen Testament wusste. Ich hätte sie vorbereiten können. Ich hätte die Wirkung mildern können. Aber Sie haben diesen Angriff aus dem Hinterhalt zugelassen, und binnen Sekunden ist der ganze Prozess gekippt.«
Jake starrte den alten Mann wütend an, obwohl ihm klar war, dass sich Reuben V. Atlee bestimmt nicht die Leviten lesen lassen würde. Doch diesmal war der Richter im Unrecht, und Jake war wütend über die Ungerechtigkeit. Er hatte jetzt
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