Die Erbin
Punkt, Mr. Brigance«, aber er machte keinen weiteren Druck. Mr. Brigance war ohnehin nicht gut auf ihn zu sprechen.
Nach Dewayne Squire rief Lanier einen Mr. Dewberry in den Zeugenstand, einen Grundstücksmakler, der sich auf Farmen und Jagdclubs spezialisiert hatte. Er berichtete von den Gesprä chen, die er in den Tagen vor Seth Hubbards Tod mit ihm ge führt hatte. Seth hatte daran gedacht, für einen Jagdclub zwei hundert Hektar in Tyler County zu erwerben. Gemeinsam mit Dewberry hatte er sich in den vergangenen fünf Jahren immer wieder Grundstücke angesehen, sich aber nie entscheiden können. Schließlich hatte er für ein Jahr eine Option auf zweihundert Hektar erworben, war dann aber krank geworden und hatte das Interesse verloren. Kurz bevor die Option erlosch, hatte er Dewberry mehrfach angerufen. Dewberry hatte keine Ahnung gehabt, dass Hubbard im Sterben lag, und auch nicht gewusst, dass er unter Schmerzmittel stand. Mal hatte er die Option ausüben wollen, dann wieder nicht. Mehrfach hatte er den Quadratmeterpreis vergessen, und einmal hatte er nicht mehr gewusst, mit wem er telefonierte. Sein Verhalten war immer sprunghafter geworden.
Im Kreuzverhör gelang es Jake, noch mehr Zeit zu schinden. Am späten Donnerstagnachmittag war das Verfahren praktisch zum Stillstand gekommen, und Richter Atlee vertagte frühzeitig auf den nächsten Tag.
46
Nachdem er bei der Bürokratie in Memphis auf Granit gebissen hatte, wollte Ozzie schon aufgeben, als er sich an etwas erinnerte, was ihm schon früher hätte einfallen sollen. Er rief Booker Sistrunk an, dessen Kanzlei vier Straßen vom städtischen Gefängnis entfernt war. Nach dem holprigen Start waren beide in Kontakt geblieben und hatten sich zweimal getroffen, als Ozzie in Memphis war. Booker war nicht wieder in Clanton gewesen und verspürte auch kein gesteigertes Bedürfnis, den Ort noch einmal zu sehen. Beide hatten erkannt, dass es zwischen zwei Schwarzen, die keine hundert Kilometer voneinander entfernt lebten und in einer von Weißen beherrschten Welt eine gewisse Macht besaßen, Gemeinsamkeiten geben musste. Sie waren geradezu prädestiniert, Freunde zu werden. Von besonderem Interesse war für Booker, dass die Langs ihm immer noch fünfundfünfzigtausend Dollar schuldeten; das Geld wollte er natürlich nur ungern verlieren.
Die Polizei von Memphis hasste und fürchtete Booker Sistrunk gleichermaßen. Fünfzehn Minuten, nachdem er mit seinem schwarzen Rolls vorgefahren war, wanderten die Papiere plötzlich von einem Schreibtisch zum anderen, und Lucien Wil bank genoss höchste Priorität. Dreißig Minuten nach Bookers Auftauchen war Lucien draußen.
»Wir müssen zum Flughafen«, sagte er.
Ozzie bedankte sich bei Booker und versprach, sich später zu melden.
Wie sich herausstellte, hatte Lucien seine Aktentasche im Flug zeug vergessen. Er glaubte, unter dem Sitz, vielleicht aber auch im Gepäckfach. Auf jeden Fall seien die Flugbegleiter Idioten, weil sie sie nicht gesehen hätten. Sie hatten sich nur darum ge kümmert, ihn aus dem Flugzeug zu schleifen. Ozzie und Parther rasten wutschnaubend zum Flughafen. Lucien sah aus und roch wie ein Obdachloser, den sie auf der Straße aufgegriffen hatten.
Beim Fundbüro von American Airlines war keine Akten tasche abgegeben worden, die in der Maschine aus Atlanta gefunden worden war. Widerwillig machte sich der einsame Angestellte auf die Suche. Lucien entdeckte eine Flughafenlounge und bestellte ein Bier. Ozzie und Prather holten sich an einem Büfett in einer belebten Halle unweit der Lounge ein ungenießbares Mittagessen. Dabei versuchten sie, ihren Passagier im Auge zu behalten. Sie riefen bei Jake in der Kanzlei an, aber es meldete sich niemand. Es war schon fast fünfzehn Uhr, und er saß offensichtlich im Gericht fest.
Die Aktentasche wurde in Minneapolis aufgespürt. Da Ozzie und Prather die Staatsgewalt vertraten, behandelte American Airlines die Tasche wie wertvolles Beweismaterial, obwohl es sich um ein abgewetztes altes Lederding handelte, das lediglich ein paar Notizblöcke, einige Illustrierte, billige Seife und Streichhölzer aus dem Glacier Inn in Juneau sowie eine Videokassette mit einer Aufzeichnung enthielt. Nach einiger Ungewissheit und viel Hin und Her wurde ein Plan entworfen, um sie so bald wie möglich nach Memphis zurückzuschaffen. Wenn alles gut lief, würde sie um Mitternacht eintreffen.
Ozzie bedankte sich bei dem Angestellten und ging auf die Suche nach Lucien. Als sie
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