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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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den Flughafen verließen, erwachte Lucien zum Leben.
    »Mir fällt gerade ein, ich habe mein Auto hier«, sagte er. »Treffen wir uns am besten in Clanton.«
    »Nein, Lucien, Sie sind besoffen«, sagte Ozzie. »Sie können nicht fahren.«
    Lucien wurde wütend. »Ozzie, wir sind in Memphis, und Sie sind außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereichs. Sie können mich mal! Ich mache, was ich will.«
    Ozzie hob resigniert die Hände und ging mit Prather davon. Sie versuchten, Lucien zu folgen, konnten aber im Feierabend verkehr mit seinem kecken kleinen Porsche nicht mithalten, der sich mit gewagten Manövern durch die Automassen schlän gelte. Sie fuhren nach Clanton, zu Jakes Kanzlei, und trafen dort kurz vor sieben ein. Jake wartete auf ihren Bericht.
    Die einzig halbwegs gute Nachricht an diesem ansonsten katastrophalen und frustrierenden Tag war, dass Lucien wegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit und Widerstand gegen die Staatsgewalt festgenommen worden war. Damit konnte er das Gerede von einer erneuten Zulassung als Anwalt vergessen. Aber im Augenblick war das ein schwacher Trost, den Jake noch nicht einmal erwähnte. Abgesehen davon hätte es nicht schlechter aussehen können.
    Zwei Stunden später fuhr Jake zu Luciens Haus. Als er in die Einfahrt rollte, stellte er fest, dass der Porsche nicht da war. Er sprach kurz auf der Veranda vor dem Haus mit Sallie, die versprach, sich zu melden, sobald Lucien heimkam.
    Wie durch ein Wunder traf Luciens Aktentasche tatsächlich um Mitternacht in Memphis ein. Deputy Willie Hastings holte sie ab und brachte sie nach Clanton.
    Um 7.30 Uhr am Freitagmorgen kamen Jake, Harry Rex und Ozzie im Konferenzraum zusammen und schlossen die Tür ab. Jake schob die Kassette in den Videorekorder und dimmte das Licht. Die Worte Juneau, Alaska  … 5. April 1989 erschienen auf dem Bildschirm und verschwanden nach wenigen Sekunden wieder. Jared Wolkowicz stellte sich vor und erklärte, was sie vorhätten. Lucien stellte sich vor und erklärte, es handle sich um die Protokollierung einer Zeugenaussage, und er werde die Fragen stellen. Er schien klar im Kopf und wirkte nüchtern. Dann stellte er Ancil F. Hubbard vor, der von der Gerichtssteno grafin vereidigt wurde.
    Der kleine gebrechliche Mann mit dem Kopf, der glänzte wie eine weiße Zwiebel, trug Luciens schwarzen Anzug und sein weißes Hemd, die ihm beide mehrere Nummern zu groß waren. An seinem Hinterkopf war ein Verband befestigt, und hinter seinem rechten Ohr lugte ein Stückchen Klebeband hervor. Er schluckte mühsam und blickte verschreckt in die Kamera.
    »Mein Name ist Ancil F. Hubbard. Ich lebe in Juneau, Alaska, wurde aber am 1. August 1922 in Ford County, Mississippi, geboren. Mein Vater war Cleon Hubbard, meine Mutter Sarah Belle, mein Bruder Seth. Seth war fünf Jahre älter als ich. Ich wurde auf der Farm unserer Familie in der Nähe von Palmyra geboren. Mit sechzehn ging ich von zu Hause weg und kehrte nicht zurück. Nie. Ich hatte nie das Bedürfnis. Hier ist meine Geschichte.«
    Als der Bildschrim achtundfünfzig Minuten später flimmerte, blieben die drei Männer noch eine Weile sitzen und starrten auf die Mattscheibe. Am liebsten hätten sie nichts mehr von dieser Sache gesehen oder gehört, aber es würde ihnen nicht erspart bleiben. Schließlich stand Jake langsam auf und betätigte die Eject- Taste.
    »Wir reden besser mit dem Richter.«
    »Kannst du erreichen, dass das als Beweismaterial zugelassen wird?«, fragte Ozzie.
    »Völlig ausgeschlossen«, erklärte Harry Rex. »Ich wüsste zehn ver schiedene Gründe für eine Ablehnung und keinen einzigen, warum es zugelassen werden sollte.«
    »Wir müssen es versuchen«, sagte Jake. Sein Herz raste, und seine Gedanken überschlugen sich, während er über die Straße rannte. Die anderen Anwälte drängten sich im Sitzungssaal, freuten sich, dass Freitag war und sie mit einem großen Erfolg in der Tasche nach Hause fahren würden. Jake sprach kurz mit Richter Atlee und sagte, die Anwälte müssten sich dringend bei ihm im Büro versammeln, wo ein Fernsehgerät und ein Videorekorder zur Verfügung stünden. Als alle dort am Tisch saßen und der Richter seine Pfeife gestopft und angezündet hatte, erklärte Jake, was los war.
    »Die Zeugenaussage wurde vor zwei Tagen aufgezeichnet. Lucien Wilbanks war zugegen und hat einige Fragen gestellt.«
    »Ich wusste gar nicht, dass der wieder als Anwalt zugelassen ist«, sagte Wade Lanier.
    »Warten Sie’s ab«, erwiderte Jake

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