Die Erbin
Ehren, und ich möchte gern …«
»Ich bin noch nicht fertig. Mr. Brigance hat einen Antrag gestellt und sich dagegen ausgesprochen, dass Sie in dieser Angelegenheit tätig werden, da Ihnen die notwendige Erfah rung, Befähigung und Fachkenntnis in diesen Dingen fehle. Richtig?«
»Ein leichtfertiger und schikanöser Einwand, Euer Ehren, was Ihnen sicher klar ist. In Mississippi muss ein Anwalt keine …«
»Moment, Mr. Buckley. Sie haben angezeigt, dass Sie in dieser Angelegenheit als Anwalt tätig werden wollen, Mr. Brigance hat Einspruch eingelegt, und das bedeutet, dass ich über den Einspruch zu entscheiden habe. Bis jetzt habe ich das noch nicht getan, und bis dahin sind Sie in diesem Verfahren noch nicht offiziell als Prozessbevollmächtigter anerkannt. Können Sie mir folgen?«
»Euer Ehren, der Einspruch von Mr. Brigance ist derart un seriös, dass er bestraft werden müsste. Genau genommen bin ich gerade dabei, einen Antrag auf Strafmaßnahmen in dieser Sache zu formulieren.«
»Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit, Mr. Buckley. Setzen Sie sich, und hören Sie mir zu.« Der Richter wartete, bis Buckley Platz genommen hatte. Dann kniff er die dunklen Augen zu sammen und legte seine Stirn in noch tiefere Falten. Richter Atlee verlor nie die Beherrschung, doch wenn hin und wieder der Zorn in ihm kochte, wurden sämtliche Anwälte im Umkreis von fünfzig Metern blass. »Mr. Buckley, genau genommen dürften Sie überhaupt nicht vor diesem Gericht erscheinen, und Sie, Mr. Sistrunk, auch nicht, genauso wenig wie Sie, Mr. Bost. Trotzdem haben Sie meinen Gerichtssaal in Beschlag genommen und sich einfach Ihre Plätze ausgesucht. Sie sind nicht die Anwälte für diesen Nachlass. Der von mir offiziell und ordnungs gemäß für diesen Nachlass bestellte Anwalt ist Mr. Brigance. Irgendwann werden Sie vielleicht das Mandat der antragstellenden Partei übernehmen, aber so weit sind wir noch nicht.« Er sprach so langsam und deutlich, dass ihm jeder folgen konnte. Während seine Worte durch den Gerichtssaal hallten, hingen die Zuschauer wie gebannt an seinen Lippen.
Jake konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Er hätte sich nicht vorstellen können, dass sein schikanöser, unverschämter, ja sogar dilettantischer Einspruch sich als derart nützlich erweisen würde.
Richter Atlee war jetzt voll in Fahrt. »Mr. Buckley, Sie sind nicht in offizieller Funktion hier. Warum haben Sie sich dann an diesen Tisch gesetzt?«
»Nun ja, Euer Ehren …«
»Erheben Sie sich, wenn Sie das Gericht ansprechen!«
Buckley fuhr in die Höhe und stieß sich das Knie am Tischrand, während er mühsam nach Fassung rang. »Euer Ehren, ich habe noch nie ein Verfahren erlebt, in dem mit einer derart haltlosen Begründung das Erscheinen eines ordnungsgemäß zugelassenen Anwalts vor Gericht zu verhindern versucht wurde. Daher habe ich angenommen, dass Sie den Einspruch sofort ablehnen werden und wir uns dringlicheren Dingen zuwenden können.«
»Da haben Sie etwas Falsches angenommen, Mr. Buckley. Sie sind davon ausgegangen, dass Sie und Ihre Anwaltskollegen aus Memphis einfach so in meinen Gerichtssaal marschieren und die Kontrolle über das Nachlassverfahren übernehmen können. Das stört mich gewaltig.«
»Euer Ehren, ich versichere Ihnen …«
»Setzen Sie sich wieder hin, Mr. Buckley. Und dann suchen Sie Ihre Sachen zusammen und nehmen da drüben auf der Geschworenenbank Platz.« Richter Atlee wies mit einem langen, knochigen Finger in Jakes Richtung.
Buckley rührte sich nicht vom Fleck. Sein Anwaltskollege dagegen schon. Booker Sistrunk stand auf, breitete die Arme aus und sagte mit seiner tiefen, dröhnenden Stimme: »Euer Ehren, mit allem Respekt, das ist doch lächerlich. Es handelt sich hier bei um eine Routinesache, mit der wir uns nicht lange auf halten sollten. Diese Art von Überreaktion ist nicht nötig. Wir sind doch alle vernünftige Leute, wir versuchen alle, der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Darf ich vorschlagen, dass wir uns jetzt sofort der grundsätzlichen Frage widmen, ob Mr. Buckley berechtigt ist, in diesem Verfahren als unser Korrespondenz anwalt tätig zu werden? Euer Ehren, Sie sehen doch sicher selbst, dass der von dem jungen Mr. Brigance eingelegte Einspruch jeglicher Grundlage entbehrt und ohne viel Federlesen abge lehnt werden sollte. Das ist Ihnen doch klar, Richter Atlee, nicht wahr?«
Richter Atlee sagte nichts und ließ sich auch nichts anmerken. Nach einigen Sekunden, die sich immer mehr in die
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