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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Haben Sie den schon mal gesehen, Rufus?«
    Wieder zog es Rufus vor, nicht zu antworten.
    Die Kolonne rollte zweimal um den Platz herum und fuhr dann kreuz und quer einige Straßen weiter, mit Ozzie an der Spitze, gefolgt von den übrigen Streifenwagen. Der Sheriff verschaffte Dumas auf diese Weise Zeit, um zum Gefängnis zu gelangen, und als sie dort ankamen, begann der Reporter erneut zu fotografieren. Sistrunk und Buckley wurden aus Ozzies Wagen geholt und langsam durch den Vordereingang in das Gebäude geführt. Die beiden wurden wie alle Festgenommenen behan delt  – sie wurden abgelichtet, man nahm ihnen die Fingerab drücke ab, stellte ihnen zig Fragen für die Akten, sammelte ihre persönlichen Sachen ein und gab ihnen Kleidung zum Wechseln.
    Fünfundvierzig Minuten nachdem Booker Sistrunk und Rufus Buckley den Zorn des Ehrenwerten Reuben V. Atlee auf sich gezogen hatten, saßen sie in identischen Gefängnisoveralls – ausgebleichtes Orange mit weißen Streifen auf den Hosenbeinen – auf dem Rand eines Metallbetts und starrten die verdreckte, tropfende Toilettenschüssel an, die sie sich teilen sollten. »Braucht ihr was?«, fragte ein Wärter, der durch die Gitterstäbe ihrer schma len Zelle hereinlugte.
    »Wann gibt es Mittagessen?«, fragte Rufus.
    Da Bost auf die Geschworenenbank verbannt worden war und seine Kollegen gerade erkennungsdienstlich behandelt wurden, ging die Anhörung erstaunlich schnell weiter und war dann auch erstaunlich schnell zu Ende. Es war niemand mehr anwesend, um eine Verlegung des Verhandlungsortes oder die Absetzung des Richters zu erörtern, sodass diese Anträge abgelehnt wurden. Der Antrag, Jake durch Rufus Buckley zu ersetzen, wurde ohne viele Worte abgewiesen. Richter Atlee gab den Anträgen auf einen Geschworenenprozess statt und gestand den Parteien neunzig Tage für die Offenlegung zu. Er erklärte unmissver ständlich, dass der Fall für ihn oberste Priorität habe und er Verzögerungen nicht zulassen werde. Dann bat er die Anwälte, ihre Terminkalender hervorzuholen, und zwang sie, sich auf den 3. April 1989 als Prozessdatum zu einigen, in knapp fünf Monaten.
    Nach dreißig Minuten vertagte Richter Atlee die Anhörung und verließ den Saal. Die Zuschauer standen auf und unterhielten sich angeregt miteinander, während die Anwälte die Köpfe zusammensteckten und zu begreifen versuchten, was gerade geschehen war. »Ich nehme an, Sie sind froh, dass Sie nicht im Gefängnis gelandet sind«, flüsterte Stillman Rush Jake zu.
    » Unglaublic h «, erwiderte Jake. » Werden Sie Buckley besuche n ? «
    »Später vielleicht.«
    Kendrick Bost führte Lettie und deren Leute in eine Ecke des Gerichtssaals und versuchte, sie davon zu überzeugen, dass alles wie geplant lief. Die meisten schienen das allerdings zu bezweifeln. So bald wie möglich eilten er und sein Leibwächter davon und liefen über den Rasen vor dem Gericht. Sie sprangen in den schwarzen Rolls-Royce – der Leibwächter war gleichzeitig der Fahrer – und rasten zum Gefängnis. Dort teilte Ozzie ihnen mit, dass das Gericht keine Besucher genehmigt habe. Bost fluchte und fuhr schnurstracks nach Oxford, dem Sitz des nächsten Bundesgerichts.
    Dumas Lee schrieb noch vor dem Mittagessen eintausend Wörter zusammen und faxte den Artikel an einen befreundeten Reporter, der für eine Zeitung in Memphis arbeitete. Außerdem übermittelte er eine Menge Fotos. Noch am selben Tag schickte er das gleiche Material an die Zeitungen in Tupelo und Jackson.

19
    Der Tipp stammte aus einer zuverlässigen Quelle und verbrei tete sich wie ein Lauffeuer im Gericht und rund um den Clanton Square. Um neun Uhr morgens wollte Richter Atlee seinen Gefangenen die Möglichkeit geben, sich zu entschuldigen. Allein die Vorstellung mitzuerleben, wie Rufus Buckley und Booker Sistrunk, hoffentlich in Ketten, Gummischlappen und orangen farbenen Gefängnisoveralls, ins Gerichtsgebäude gezerrt wurden, war unwiderstehlich.
    Der Vorfall war begierig aufgenommen worden und Anlass für begeisterten Klatsch und wilde Spekulationen. Für Buckley war es eine immense Demütigung, für Sistrunk lediglich eine weitere Episode in diesem Fall.
    Die Morgenzeitung in Memphis druckte jedes Wort in Dumas’ Artikel auf die erste Seite des Lokalteils, zusammen mit einem großen Foto, auf dem zu sehen war, wie die beiden An wälte tags zuvor in Handschellen das Gerichtsgebäude verließen. Allein die Schlagzeile war Gold wert für Sistrunk: PROMINENTER ANWALT

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