Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
er fort. » Haltet nicht an. Wartet auf niemanden, vor allem nicht auf Lira und mich. Wir werden Euch folgen, wenn alles gut geht. «
» Darauf habe ich Euch mein Wort gegeben « , entgegnete Malian. Sie streckte die Hand aus. Ihre Kehle wurde eng. » Mögen die Neun mit Euch sein, Kyr … und mit Euch, Lira. «
Rasch wendete sie ihr Pferd und ritt los. Noch einmal sah sie sich um, kurz bevor sie das Lager aus den Augen verlor, aber die beiden Wachen waren bereits zwischen den Bäumen verschwunden.
» Wenn ich als Erbin der Nacht solche Entscheidungen treffen muss « , dachte Malian bitter, » dann möchte ich das nicht sein. « Blinzelnd hielt sie ihre Tränen zurück und betrachtete den sich schnell bewegenden Himmel.
Sie wandten sich nach Süden. Der Wind trieb sie voran. In seinem Heulen suchten sie nach Geräuschen, die auf Verfolger schließen ließen und auf Kampfeslärm. Anfangs schwieg Nhairin, ihr Gesichtsausdruck wirkte erstarrt. Kalan warf immer wieder einen Blick zurück oder betrachtete den Himmel, an dem ein schwarzer Fleck hing, der ihnen zu folgen schien. Nach einer Weile begann Nhairin, ihm aus den Augenwinkeln Blicke zuzuwerfen und leise mit sich selbst zu sprechen. Ihr Murmeln ging in der Stimme des Windes unter. Verdrossenheit hing über der kleinen Gruppe. Sie war so düster wie das Wetter.
Gegen Mittag rasteten sie kurz im Schutze einer zerklüfteten Hügelkuppe. Sie wussten, dass sie essen und sich ausruhen mussten, gleichzeitig spürten sie jedoch den Drang weiterzuziehen. Nhairin kaute auf ihrer Unterlippe, während sie das Gelände vor ihnen betrachtete. Es wurde schwieriger. Überall lagen Felsen und große Steine herum, die die Pferde behinderten. Der Himmel war so grau wie Stahl, die Wolken drückten auf die Hügel und verbargen die höheren Gipfel.
» Wir müssen dicht zusammenbleiben « , sagte Kalan, » sonst werden wir einander in diesen Wolken verlieren. «
» Können wir die alte Straße nicht verlassen und weiter nach unten gehen? « , fragte Malian. » Soweit wir wissen, sind unsere Feinde ja hinter uns, nicht unter uns. «
Nhairin dachte darüber nach. Über ihrem Gesicht lag immer noch ein Schatten, doch ihre Augen wirkten klarer als am Morgen.
» Soweit wir wissen « , wiederholte sie langsam. » Vielleicht haben sie ihren Trupp aber auch wieder aufgeteilt. Außerdem ist das Gelände weiter unten sehr schwierig. In den Tälern gibt es so viel Gestrüpp und Gestein, dass wir uns wahrscheinlich hoffnungslos verirren würden. In so einem Gelände ist es immer besser, auf den Wegen zu bleiben, deshalb denke ich, dass wir die Wolken riskieren sollten. «
Malian nickte. Sie erinnerte sich an den Rat, den ihr Kyr bezüglich der Wachtürme gegeben hatte, und beschloss, dass es wohl wirklich besser war, auf der Hügelkette zu bleiben. Sie begann zu zittern, als der Wind scharf in ihre Haut schnitt. » Wir sollten weiterziehen. «
Das taten sie, während der Wind nach Schwachstellen in ihren wärmenden Umhängen suchte. Auch die Wolken schienen sich gegen sie verschworen zu haben. Immer tiefer sanken sie herab, sodass der Pfad immer häufiger durch graue, feuchte Luft führte. Jedes Mal, wenn sie in den Nebel gerieten, wurde die Welt dunkler. Nhairin, die unmittelbar vor Malian ritt, wurde dann zu einem kaum noch erkennbaren Schatten. Mit jeder Nebelbank schien sie sich weiter in sich selbst zurückzuziehen, doch bei der nächsten Rast kam sie wieder hervor.
» Mir gefällt das Wetter überhaupt nicht « , murmelte sie. » Lira hatte recht, in diesem Wind liegt Schnee. Ich glaube, wir werden bald Schutz suchen müssen. «
» Glaubst du nicht, dass wir es bis zur Grenzmarkierung schaffen werden, bevor der Sturm losbricht? « , fragte Malian. Sie versuchte, Furcht und Enttäuschung aus ihrer Stimme herauszuhalten.
Nhairin hob die Schultern. Ihr Gesicht wirkte besorgt. » Wir sind mindestens noch einen Tagesritt von der Grenzmarkierung entfernt, vielleicht mehr. Was auch immer hinter dem Wind ist, wird uns bis dahin längst erreicht haben. «
Kalan verzog das Gesicht. » Wir haben weder die richtige Ausrüstung noch genügend Vorräte, um einen Schneesturm zu überleben « , sagte er langsam.
Nhairin sah ihn an. Ihre Augen waren so düster wie der wolkenverhangene Tag. » Tod hinter uns « , murmelte sie, » Tod vor uns. Worin besteht unsere Pflicht nun? «
» Unsere Pflicht ist die gleiche wie heute Morgen « , sagte Kalan scharf. » Wenn wir vor dem Wetter nicht
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