Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
Vom Netzwerk:
hätte das nicht getan. Lieber hätte er Malian sterben lassen.
    » Wenn er jetzt hier wäre, würde er mich schwach nennen « , dachte der Graf und sah erschöpft aus. » Und vielleicht hätte er recht gehabt, da ich es nicht ertragen konnte, mein Kind zu verlieren, wie ich schon meine Frau verloren habe. Doch jetzt werde ich Malian ohnehin verlieren, aus genau demselben Grund, aus dem ich Nerion verloren habe. «
    Er spürte die Last der Pflichten gegenüber seinem Haus und gegenüber der Derai-Allianz sowie den Bluteid, der ihn band, wie er jeden Grafen seit fünfhundert Jahren gebunden hatte. All dies drückte ihn nieder und wog viel schwerer als das Gewicht seiner Rüstung.
    Schwer, ja, aber nicht so, wie die Botschaft, die ihm von den Herolden der Gilde überbracht worden war. Die lag ihm wie ein Mühlstein im Magen. Er konnte darüber mit niemandem sprechen; er wagte es nicht. Dieser Umstand, gepaart mit den Priestermächten, ließ ihn mürrisch über die sogenannten Herolde nachdenken. Allein ihre Gegenwart war wie ein Stein, den man in eine Pfütze geworfen hatte. Er hatte die finsteren Blicke und das Gemurmel, das ihnen folgte, mitbekommen.
    » Sie waren Zeuge der Schwäche der Derai und haben für Außenstehende viel zu viel gesehen « , sagte das Gemurmel und gab der Bezeichnung Außenstehende die alte, gefährliche Bedeutung, die sowohl Fremder als auch Feind lautete.
    Der Graf dachte an die unheimliche Kraft, die das Siegel des Schweigens der Herolde hatte, und zog eine Grimasse. Wenn es einmal herbeigerufen war, wirkte es wie eine unsichtbare Wand, die um die Herolde und den Grafen errichtet worden war. Asantir, die sicherstellte, dass er nicht zu Schaden kam, konnte alles sehen, aber kein Wort von dem Gesprochenen hören. Die Herolde hatten teilweise wie aus einem Munde, teilweise abwechselnd gesprochen, als ob keiner von beiden die gesamte Botschaft kannte.
    Sie sagten ihm, dass ein alter Jugendfreund aus der Zeit, als er noch durch die Stromlande reiste, sie geschickt hätte. Besagter Freund war ein Händler namens Vhirinal, der zum Ephor – also Regenten – von Terebanth aufgestiegen war. Offenbar wurden Informationen entlang der Handelsrouten zwischen den Stromstädten wie Gold gehandelt. In den letzten Jahren waren diese Routen erweitert worden und schlossen nun einige der Derai-Häuser entlang des Walls ein. Alle Informationen gelangten am Ende, ebenso wie der Großteil des Goldes, zum Ephor von Terebanth. Auf diese Weise hatte Vhirinal etwas erfahren, das seinen alten Freund Tasarion betraf, der jetzt der Graf der Nacht war.
    » In deinem Haushalt gibt es einen Verräter « , hatte die Heroldin Jehane gesagt und die Warnung des Ephors laut ausgesprochen.
    » Einer, der dir nahesteht, den du aber nicht verdächtigen würdest « , fuhr der Herold Tarathan fort. » Hüte dich! « , sagten die Herolde wie aus einem Munde. » Hüte dich, Graf der Nacht, denn die Hunde deiner Feinde sind auf der Jagd! «
    Einer, der dir nahesteht, den du aber nicht verdächtigen würdest. Das konnte jeder sein – jeder, den er tagtäglich sah und dem er vertraute –, ein Diener oder ein Freund, sogar eine Geliebte. Der Graf zuckte vor dem letzten Gedanken zurück, konnte ihn jedoch nicht ignorieren.
    » Jemand, der mir nahesteht, den ich aber nicht verdächtige. « Er sprach langsam in die stille Nacht. » Rowan ist die offensichtliche Wahl, die Fremde aus dem Winterland. Es gibt schon genug, die behaupten, dass sie mich verzaubert hat – und aus welchem Grunde sollte sie das tun, wenn nicht, um mich am Ende zu verraten? Oder Haimyr, der Außenstehende, der schon so lange unter uns weilt. Doch wenn sie Verräter sind, wem dienen sie dann? Gehören das Wintervolk oder das weit entfernte Ij zu meinen Feinden? Das ergibt keinen Sinn. « Die Finger des Grafen trommelten erneut: Hüte dich, Graf der Nacht, denn die Hunde deiner Feinde sind auf der Jagd. Er schaute ins Feuer und runzelte die Stirn. » Ich weiß, dass unsere Derai-Feinde nicht für den Angriff in der letzten Nacht verantwortlich waren. Doch haben sie vielleicht jemanden, der mir nahesteht, bestochen? Und wenn ja, wen? Und aus welchem Grund außer dem offensichtlichen Verrat? «
    Es gab so viele mögliche Kandidaten. Gerenth war tot, aber er hatte dem Alten Grafen treu sein ganzes Leben lang gedient. Es war unwahrscheinlich, dass er zum Verräter geworden war. Asantir? Der Graf zögerte, aber nur kurz. Sie stand ihm schon so lange so nah, dass er eher

Weitere Kostenlose Bücher