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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Galgen schlurften. Die Schultern von Gunnar Birgersson zuckten. Samuel wünschte inständig, der Mann möge seine Haltung bewahren. Da ging der wahrscheinlich beste Schütze der gesamten schwedischen Reiterei, der imstande gewesen war, in vollem Galopp von einer Pyramide übereinandergestellter Becher den obersten herunterzuschießen, ohne dass die anderen auch nur geruckelt hätten. Birgersson sah sich um. Sein Gesicht bestand nur noch aus Augen, zwei Löcher auf aschfahler Leinwand, das Porträt des Todes, wenn Samuel je eines gesehen hatte. Samuel Brahe machte eine unmerkliche Kopf bewegung zu der Kutsche, die abseits des Galgens stand. General Königsmarck sah der Hinrichtung höchstpersönlich zu.
    Birgersson versuchte, sich zusammenzureißen. Seine Blicke scheuten vor dem Anblick der Kutsche. Leb wohl, mein Freund , dachte Samuel. Warst nicht du es, der bei Rain am Lech den kaiserlichen Dragoner so von seinem Pferd schoss, dass er noch im Fallen an den Zügeln riss und den Gaul dadurch herumzog, was mich davor bewahrte, von seinen Hufen zermalmt zu werden?
    Der Trommelschlag setzte wieder ein. Samuel sah zu, wie der Profos zwei Männer dazu abkommandierte, die Stricke der zuerst Erhängten auf gleiche Länge zu ziehen. Die Delinquenten mussten untereinander auf der Leiter stehen; der Strick des untersten Mannes war so lang, dass er am weitesten fiel und danach wie ein Pendel hin und her schwang, während seine Fußspitzen den Boden streiften. Der Profos war ein Mann mit Sinn für Symmetrie. Die drei Erhängten hingen wie die Orgelpfeifen, und das widersprach der Ästhetik eines vernünftigen Galgens. Samuel brachte es nicht über sich, in die Gesichter der Toten zu blicken, während zwei von ihnen auf gleiche Höhe mit dem ersten gehievt wurden. Die drei neuen Männer kletterten ungeschickt auf den Sprossen nach oben.
    Die Trommel schlug beständig. Samuels Herzschlag war zehnmal so schnell. Er zwang sich, zu Birgersson und seinen beiden Leidensgenossen hinüberzusehen. Das war er ihnen schuldig. Richtig, ihre Blicke hatten die seinen gesucht. Er richtete sich auf und legte eine Faust an die Brust. Alfred Alfredsson neben ihm tat es ihm gleich.
    Als die ersten drei Männer gehängt worden waren, hatten er und Alfredsson ihnen auf die gleiche Weise salutiert. Einer der Büttel des Profoses war zu ihnen herübergesprungen und hatte Alfredsson seinen Stock ins Gesicht geschlagen. Alfredssons Wange war aufgeplatzt, aber er hatte nicht gewankt. Dieses Mal schienen der Profos und seine Männer es leid zu sein, erneut zuzuschlagen. Vielleicht war ihnen auch nur kalt, undsie wollten das Ganze hinter sich bringen, bevor ihre Schuhe im Schneematsch aufweichten und ihre Kameraden im Lager den letzten sauren Wein ausgesoffen hatten.
    Langsam hoben jetzt auch die anderen Männer in der Reihe die Fäuste und legten sie an die Brust. Birgersson vorne auf der Leiter liefen die Tränen übers Gesicht, als er zurückgrüßte. Dann fiel er – und der Mann über ihm – und der Mann über diesem … Der Galgen knarrte, von einem zuckenden Fuß löste sich ein Schuh, Birgerssons Stiefelspitzen kratzten über den Boden – er war groß gebaut gewesen, Gunnar Birgersson, fast zu groß für einen Reiter … Samuel stellte fest, dass er es geschafft hatte, die Augen offen zu lassen und doch nichts zu sehen.
    Der Trommelschlag verstummte. Samuel und die anderen senkten die Fäuste. Die Stricke knarrten, die Balken quietschten. Über den Körper eines der Männer liefen Zuckungen wie in Wellen, und sein offener Mund gab krächzende Laute von sich. Dann war auch das vorüber, und der Choral aus der Wunsiedler Kirche war wieder zu hören: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit …
    »Sechs oben, zwölf auf dem Weg«, murmelte Alfredsson.
    Samuel Brahe atmete langsam durch. Der Profos schritt zu den Gehenkten hinüber und starrte jeden Einzelnen von ihnen an, dann nickte er. Als er wieder an Ort und Stelle war, begann der Trommelschlag ein drittes Mal. Das halbe Dutzend Männer, das die Verurteilten dreierweise zum Galgen führte, schritt heran. Der Henker schleppte die Leiter zur nächsten Galgenseite. Birgersson und der neben ihm hängende Mann wurden nach oben gezogen. Dem ehemaligen Wachposten in seiner Unterhose knickten die Knie ein, aber dann konnte er sich wieder fangen und richtete sich auf. Samuel Brahe merkte plötzlich, dass er vor Schweiß troff.
    »Das halt ich nich’ aus«, flüsterte der Mann, der nach Alfredsson

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