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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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verbrennst, sie muss heiß sein … tauche den Stumpf in die Flüssigkeit … zieh den Gurt noch einmal strammer … konzentrier dich auf das Pumpen des Blutes und wie es weniger und weniger wird, während die zerschnittenen Adern sich schließen … versuch, nicht an das abgesägte Glied zu denken, das in deinem Schoß liegt, diesen Unterarm, den du soeben abgeschnitten hast, diese Hand, an der du deine Patientingehalten hast, als sie ihre ersten Schritte zu tun versuchte und nie im Traum geahnt hätte, dass ihre eigene Tante ihr einst bei lebendigem Leib den halben Arm abtrennen würde, diese Hand, an der die Finger noch zucken, verschließ dich vor dem schrillen Schmerzgeheul und dem Gefühl, dass dir im nächsten Moment der Mageninhalt hochkommt …
    Die Klinge begann zu zittern, und Alexandra riss die Hand nach oben, bevor sie die Haut verletzte.
    »Ich kann das nicht«, stieß sie hervor.
    »Gibt es eine andere Lösung?«, keuchte Wenzel.
    Sie stierte ihn an. Lýdie wimmerte leise.
    »Gibt es eine andere Lösung?«
    Sie senkte den Blick wieder auf die Klinge. Ich schmeiß sie raus! , hörte sie von unten die Stimme ihres Bruders. Wenn sie ihr nur ein Haar krümmt! Lasst mich los, ihr schwarzen Bastarde, ich schmeiß sie raus … ich hol die Wache … ich lass sie einsperren …! Die Klinge spiegelte das Kerzenlicht. Der Lichtreflex zitterte, als würde er leben, tanzen, sie verspotten. Sie versuchte sich zu erinnern, was Barbora ihr beigebracht hatte, was Barbora alles gesagt hatte in den Hunderten von gemeinsam verbrachten Stunden … versuchte zu erkennen, was Barbora getan hätte, wenn sie an ihrer Stelle wäre …
    Zwischen Alexandra und dem Tod ihrer kleinen Nichte stand nur eine grässliche, blutige, peinvolle Operation … und, falls die Patientin überlebte, ein Leben als Verstümmelte … all das wegen der Unachtsamkeit einer ebenso überheblichen wie unerfahrenen Klosterschwester, die glaubte, ihr Leben der Heilung von Kranken gewidmet zu haben, und nie gelernt hatte, dass dieser Weg vor allem bedeutete, ständig alles zu hinterfragen, vor allem die althergebrachten Weisheiten in der Bibel …
    Wenn dein Auge dich beleidigt, dann reiß es aus, auf dass es nicht den Rest von dir vergifte …
    »Alexandra! Gibt es eine andere Lösung!?«
    Sie senkte die Klinge wieder auf Lýdies Unterarm.
    »Herr, vergib mir«, schluchzte sie. »Herr, vergib mir.«
    Sie begann zu schneiden.

7.
    Samuel Brahe hatte viele verschiedene Feldherren erlebt. Jeder hatte auf seine Weise versucht, ein Heer zu führen, das zu einem Drittel aus menschlichen Bestien, Mördern, Vergewaltigern, Feiglingen, Verrätern und Aufrührern bestand. König Gustav Adolf war immer an der Seite seines Lieblingsregiments gewesen, gedeckt durch seinen Leibwächter, seinen Leibpagen, ein halbes Dutzend Offiziere und Adlige, aber dennoch stets im dicksten Getümmel (was ihn am Ende das Leben gekostet hatte): Sein Führungsanspruch war durch den Respekt vor seiner persönlichen Tapferkeit untermauert gewesen. Oberst Torsten Stalhandske, dem das Småländische Regiment unterstanden hatte, hatte das Gleiche mit väterlicher Strenge erreicht und dadurch, dass er seine Soldaten nach außen hin immer geschützt hatte, auch wenn er intern ein entschlossener Richter gewesen war. Feldmarschall Horn hatte seine Soldaten bis hinauf zu den subalternen Offizieren »Arschlöcher« genannt, wenn sie seine Befehle nicht verstanden, »Sattelfurzer«, wenn sie nicht schnell genug in die Schlacht kamen, oder »Schafficker«, wenn ihre Reihen in Unordnung gerieten. Herzog Bernhard von Weimar war für eine gewähltere Ausdrucksweise bekannt gewesen, aber auch dafür, dass er im Suff durch die Zeltreihen strich und die eine oder andere Marketenderin bestrampelte – und einen eventuellen Vorgänger zwischen den ungewaschenen Marketenderinnenschenkeln mit Reitgertenstreichen auf den nackten Hintern aus seinem Paradies vertrieb, anstatt zuzusehen und abzuwarten, bis er fertig war, was guter Soldatenbrauchgewesen wäre. Auch diese beiden Befehlshaber waren von ihren Männern verehrt worden, und wenn auch nur des Umstandes wegen, dass sie durch und durch menschlich waren, jede Menge charakterliche Fehler besaßen und so frei waren, zu diesen zu stehen.
    Einen Mann wie General Christopher Königsmarck hingegen, der selbst am Heiligen Abend noch den Anspruch bekräftigte, sein Heer mit absoluter Furcht vor seiner Person zu führen, hatte Samuel noch nie kennengelernt.

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