Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
Vom Netzwerk:
Offenbar waren er und der erbärmliche Rest der Småländischen Reiter im Zentrum der Hölle angekommen – während ein Choral von irgendeiner Kirche im nicht requirierten Teil Wunsiedels herüberwehte, in der ein mutiger Pfarrer eine Messe hielt, die Samuel als katholische Christmette erkannte. Ab und zu wurde der Choral von einem kurzen Trommelwirbel ausgeblendet, und dann von anderen Geräuschen. Fackeln blakten und schickten Fetzen von Rauchgeruch über das Feld. Ansonsten roch es nach freiem Land, nahem Wald und frisch gefallenem Schnee, fast wie in Schweden, wenn man aus der Hitze der Feier hinaustrat, um sich abzukühlen und den Sternenhimmel zu bewundern. Wären die Heiligen Drei Könige aus Schweden gekommen, hätten sie die Krippe mit dem Jesuskind nicht gefunden; kein Stern, der irgendwo auf der Welt strahlte, selbst einer, den Gott gesandt hatte, konnte so hell strahlen wie ein durchschnittlicher schwedischer Sternenhimmel am Tag des Julfestes, und wären die Könige wie gesagt Schweden gewesen, wäre ihnen der Leitstern überhaupt nicht aufgefallen.
    Gesegnetes Julfest , dachte er. Er versuchte, die Wut in seinem Bauch aufrechtzuerhalten, weil dahinter fast ebenso mächtig eine heulende Angst und eine tiefe Trauer warteten.
    Furcht in den eigenen Reihen konnte man am besten auf eine Art und Weise verbreiten: indem man den Tod ins Lager einlud und ihm reiche Ernte bot. Am billigsten war es, wennman Männer in den Tod schickte, die einem später im Kampf nicht fehlen würden.
    Ein verlorenes Häuflein Verfemte, zum Beispiel.
    Die Geräusche verstummten.
    »Drei oben, fünfzehn auf dem Weg«, murmelte Alfred Alfredsson.
    Die plötzliche Ansprache in ihrem kalten, zugigen Quartier, herausgebellt vom Lagerprofos und einer Handvoll seiner Männer, war so kurz gewesen, dass diejenigen von Samuels Männern, die bereits eingeschlafen waren, bis zu ihrem Ende gar nicht vollständig wach geworden waren.
    »Das Ende des Krieges ist nahe und damit das Ende einer Zeit, in der man für dreckige Arbeit dreckige Kerle braucht. General Königsmarck hat das Todesurteil für euch unterzeichnet!« Der Lagerprofos hatte gegrinst. »Zeit ist es geworden, wenn ihr mich fragt, ihr Bastarde. Los, führt sie ab.«
    Samuel hielt sich an seiner Wut fest. Wenn alles verloren war, gab es nur noch eines: mit Anstand in den Tod zu gehen. Es in Würde zu tun, hatte man ihnen verwehrt. Niemand starb in Würde, der vom Henker von der Leiter gestoßen wurde und seine Hosen mit Sperma, Urin und Kot bespritzte, während er den einen kurzen Tanz mit der Seilerstochter tanzte. Er beobachtete mit steinerner Miene, wie die nächsten drei Männer zum Galgen geführt wurden. Die Trommeln setzten wieder ein.
    Die guten Leute von Wunsiedel hatten einen schönen Galgen vor den Mauern errichtet, bevor der Teufel sie selber und den größten Teil ihrer Stadt geholt hatte. Er war vierstemplig, ein geräumiges Quadrat aus Balken mit gemauertem Podest, zwei Mannslängen hoch. Genug, um Samuel Brahe und den Rest seiner Männer daran zu hängen. Direkt neben dem Galgen stand zwischen zwei bewaffneten Soldaten ein Mann barfuß im Schnee, der nur seine dreckstarre Unterhose trug. Er schwankte, von den Schmerzen und der Kälte halb besinnungslos.Sein Rücken war rohes Fleisch; der Lagerprofos wusste die neunschwänzige Katze zu gebrauchen. Das Gesicht des Mannes war verzerrt; man hätte in ihm kaum den Mann wiedererkannt, der geglaubt hatte, eine verzweifelte Ausgestoßene in einer besetzten Stadt wäre seine willfährige Geliebte. Samuel hatte gehört, was sein Urteil war: Hielt er sich während der Hinrichtung der Verfemten auf den Beinen, würde es ihm erspart bleiben, als Letzter neben ihnen aufgehängt zu werden. Die Wachablösung für das kleine Türchen in der Mauer war unverhofft gekommen, noch bevor Samuel und Alfred den Schlüssel hatten zurückpraktizieren können, ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, das sich für den Beschenkten in eine Katastrophe verwandelt hatte. Dass man ihn nicht sofort zum Galgen gebracht, sondern auf das Christfest gewartet hatte, beleuchtete die Denkweise eines Mannes wie General Königsmarck – und dass man dem Verurteilten den Schimpf antat, ihm mit dem Aufknüpfen neben den verachteten Småländern zu drohen, zeigte, was der General von einem Mann hielt, der seine Pflicht vergaß. Samuel war sicher, dass der Unselige innerhalb der nächsten Minuten zusammenbrechen würde.
    Er blickte den drei Männern hinterher, die zum

Weitere Kostenlose Bücher