Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
Vom Netzwerk:
kam.
    »Ach was«, sagte Alfredsson dumpf. »Wir haben schon Schlimmeres überstanden.«
    Samuel folgte dem Blick des Profoses, und sei es nur, um etwas anderes zu sehen als die dort vorn baumelnde Vorwegnahme seines eigenen Schicksals. Eine Frau stand neben dem Weg, in der Nähe von Königsmarcks Wagen. Zuerst dachte Samuel, es sei Königsmarcks Ehefrau, die ihn auf seinen Feldzügen begleitete und zusammen mit anderen Offiziersfrauen hinter den Soldaten durch die Tore der eroberten Städte zu schreiten pflegte, um auf die zerrissenen und zuckenden Körper derer Weihwasser zu spritzen, die zwei Minuten vorher aufgespießt, zerfetzt, erschlagen oder erschossen worden waren. Es hieß, dass sie, wann immer sie bei einem weiblichen Leichnam ankam, es sich angelegen sein ließ, die aufgedeckte Blöße mit dem zerrissenen Rock der zu Tode Vergewaltigten zu bedecken, bevor der Weihwasserkessel in Aktion trat. Die Soldaten gaben zu, dass sie General Königsmarck fürchteten; sprach man sie auf Königsmarcks Frau an, schlugen sie nur stumm das Kreuzzeichen und spreizten dann die Finger gegen den bösen Blick ab.
    Die Frau dort vorn war nicht Königsmarcks Gattin. Sie starrte ihn an. Ihr Blick rüttelte ihn aus seiner panikerfüllten Starre; der irre Gedanke schoss in ihm hoch, dass es die Frau war, die ihm so unerwartet Liebe und Wärme geschenkt hatte, die Frau, die er zusammen mit ihren Begleitern vor den bayerischen Dragonern gerettet hatte, die Frau, die ihm nie ihren Namen genannt hatte. Dann sah er, dass sie es nicht war, und er fühlte sich geradezu erleichtert; war zusammen mit dem vorigen Gedanken nicht die Befürchtung hochgeschwappt, dass sie etwa seinetwegen zurückgekommen war?
    Samuel starrte zurück. Es war, als ob ihm durch ihren Anblick plötzlich bewusst wurde, dass es trotz allem eine Welt gab jenseits dieses Ortes, und obwohl er kein Teil mehr von ihr war und niemals wieder werden würde, weil er in dennächsten fünf Minuten so wie alle seine Männer am Galgen baumeln würde, fühlte er so etwas wie Beruhigung. Nein, es war mehr. Es war – Hoffnung. Nicht für sich oder für Alfred Alfredsson oder Gunnar Birgersson oder all die anderen, sondern Hoffnung, dass das Leben mehr war als ein Haufen Scheiße, in dem man bis über beide Ohren steckte und manchmal eben den Mund aufmachen musste, um seinen Anteil daran zu schlucken. Es war Hoffnung, die daher rührte, dass eine vollkommen unbekannte Frau, deren Schönheit selbst auf die Entfernung und in der Dunkelheit sichtbar war, stehen blieb und mit einem Blick reinsten Entsetzens und Mitfühlens Zeugin wurde, wie über ein Dutzend der ehemals besten Soldaten Schwedens in Schande starb.
    Samuel neigte den Kopf und lächelte der Erscheinung zu. Wenn man es recht bedachte, starrte er den Christengel an.
    »Was ist da los, Samuel?«, brummte Alfredsson.
    »Das Leben geht weiter, Alfred«, sagte Samuel, ohne sich zu ihm umzudrehen.
    Dann wurde ihm bewusst, dass der Trommelschlag aufgehört hatte. Er wechselte einen Blick mit Alfred Alfredsson. Dieser würdigte die Unbekannte keines Blickes, sondern starrte zum Wagen des Generals hinüber. Der Profos blickte ebenfalls in diese Richtung; er hatte die Hand noch immer gehoben, mit der er dem Trommler Einhalt geboten hatte. Der Trommler bewegte die Schultern, um sie zu lockern, und schnippte dann imaginären Schmutz von seinem Trommelfell. Der Galgen knarrte vom Gewicht der leise schwingenden Gehenkten. Neben dem Wagen stand General Königsmarck in höchsteigener Person vor dem offenen Wagenverschlag und las mit fassungslosem Gesicht in einem Pergament.
    Der Profos straffte sich, dann trat er an den General heran, zog den Hut und verbeugte sich. Es gab eine kurze, unverständliche Konferenz. Der General dachte einen Augenblick lang nach, dann ließ er das Pergament sinken und machteeine unwirsche Kopf bewegung. Der Profos zog sich unter vielen Verbeugungen zurück, stapfte an seinen alten Platz. Der Trommler nahm auf einen Wink hin seine Arbeit wieder auf. Samuel merkte, dass er den Atem angehalten hatte. Jetzt ließ er ihn langsam entweichen. Erneut suchte er den Blick der unbekannten Frau, doch diese musterte den General wie jemand, der in aller Ruhe seinen nächsten Schritt überlegt.
    »Gut, dass es endlich weitergeht«, sagte Alfredsson. »Warten ist mir ein Gräuel.« Ihm fehlte die Kraft, es so laut zu sagen, dass es trotzig wirkte. Die Soldaten kamen heran, um die nächsten drei abzuholen.
    »Scheiße«,

Weitere Kostenlose Bücher