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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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nicht noch etwas vergessen?
    Nicht etwas – jemanden. Wenzel! Sie starrte vor sich hin. Wenzel … war er es nicht gewesen, zusammen mit Adam Augustýn, der Sebastians Plan damals durchkreuzt hatte? Ihn durfte sie genauso wenig in die Angelegenheit verwickeln wie ihren Vater, denn auch ihm würde Sebastians Rache gelten. Abgesehen davon, dass es noch einen ganz anderen Grund dafür gab, Wenzel außen vor zu lassen.
    Weil er streng genommen kein Familienmitglied war, sondern ein Findelkind?
    Nein, so hatte sie ihn nie gesehen. Der Grund war ein ganz anderer.
    Sie würde es genauso wenig ertragen, ihn ins Verderben gelockt zu haben, wie sie es ertragen würde, wenn sie ihren Vater Cyprian in die Falle führte.
    Die kühle Stimme wollte etwas sagen, aber sie erstickte sie mit einem inneren Aufschrei: Nein!
    Das Pferd stieg, und sie merkte entsetzt, dass sie an den Zügeln gerissen hatte. Es war jedoch zu erschöpft, um auf den Hinterbeinen zu tanzen, und sie bekam es wieder unter Kontrolle. Ihr Herz hämmerte, und ihr Atem flog. Die kühle Stimme nutzte die Lage aus und sagte: Weil er der Vater deines einzigen Kindes ist, und das wirst du niemals wegleugnen können. Weil es sein Name ist, den du einem Fremden ins Ohr gef lüstert hast, als die Ekstase über dich kam …
    »Nein!«, schrie sie. »Nein!«
    … weil du ihn liebst.
    Sie schüttelte verzweifelt den Kopf, aber es war die Wahrheit, und wer wusste es besser als sie?
    Er hatte ihr das Leben gerettet und seines beinahe dafür hingegeben; er hatte auf sie gewartet, bis sie sich endlich entschlossen hatte, sein Werben anzunehmen; er war in ihrer Nähe geblieben, als sie ihn zurückgestoßen hatte, weil sie Angst davor bekommen hatte, welche Gefühle jene eine Liebesnacht in ihr ausgelöst hatte und sie nach dem Tod Henyks nie wieder eine solche allumfassende Liebe zu einem Mann hatte verspüren wollen, und er hatte ihre Erklärung wortlos akzeptiert. Sie hatte ihn angelogen, was die Vaterschaft für Miku betraf, und hatte einen Mann geheiratet, den sie nicht liebte, weil sie sich bei ihm Halt versprochen und ihr Geheimnis vor Wenzel sicher gewähnt hatte. Sie hatte ihn beobachtet, wie er den todkranken Miku aufzumuntern versuchthatte und ihn weiterhin angelogen, ihm nicht einmal die Gelegenheit gegeben, seinem Sohn in dessen letzten Momenten der Vater zu sein. O Gott, sie hatte ihn in jeder nur erdenklichen Form betrogen, gedemütigt und fortgestoßen, bis es zu einer Gewohnheit geworden war, die stärker war als all ihre wahren Gefühle. Er hatte seinen Frieden in der Kirche gefunden, und dennoch hatte er ihr bei seinem Abschied vor einer Woche zu verstehen gegeben, dass er sein Leben aufgeben würde – für sie! Sie hatte sich so sehr an ihm versündigt, dass es keinen Weg gab, jemals zu ihm zurückzufinden. Alles, was sie tun konnte, war, ihn zu schützen, so wie sie ihren Vater und ihren Onkel schützen würde.
    »Nein«, flüsterte sie und merkte, dass sie weinte. »Auch du nicht, Wenzel. Auch du nicht … eine Heilerin darf die Hoffnung nicht aufgeben, nicht wahr? Doch wenn der Patient ihr eigenes Herz ist …?«
    Sie schnalzte mit den Zügeln. Sie hatte sich viel zu lange aufgehalten. Voraus lag Ochsenfurt; schon beim Herweg hatten sie dort Station gemacht. Sie konnte die Stadt vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.

12.
    Zuerst hatte Samuel gedacht, dass Ebba das scharfe Tempo nicht würde mithalten können. Nach drei Tagen dachte er, dass er nicht würde durchhalten können, und wenn er die geröteten Gesichter seiner Männer betrachtete und das schmerzliche Zusammenzucken jedes Mal, wenn ihre wundgescheuerten Hinterbacken beim Galopp auf die Sättel niederfielen, wusste er, dass er mit dieser Befürchtung nicht allein war. Einem Kavalleristen sollte so etwas eigentlich nicht passieren; aber die Jahre seit Lützen hatten sie die meiste Zeit in Ketten statt auf dem Rücken von Pferden verbracht.
    Sie hatten einen weiten Bogen geschlagen, zuerst nach Nordosten, dann fast geradewegs in östlicher Richtung. Bei Aussig hatten sie über die Elbe gesetzt; der Weg hatte sie durch Land geführt, das mit dichten Waldstücken versetzt war, aus denen Kuppen, Felsen und schroffe Hügel in einer losen, von West nach Ost führenden Kette ragten. Ebba hatte sie an dieser Kette entlanggeleitet, an Ortschaften vorbei, die so friedlich in der Winterlandschaft lagen, dass Samuel das Gefühl hatte, irgendwo aus der Wirklichkeit heraus- und in einen Traum hineingeritten zu

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