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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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und Palästen vorbeigekommen. Sieh dir die Deckenbalken an; der Ruß ist nur noch an der Unterseite sichtbar, die Flanken sind von Wind und Wetter ausgebleicht, und die Bruchstellen sind rund und brüchig. Diese langen schwarzen Spuren an denWänden – das war einmal eine ungebrochene Rußschicht. Der Regen hat das meiste davon abgewaschen, und das graue Zeug darauf sind Flechten. Was wir an verbranntem Pergament und sonstigem Zeug gefunden haben, hat eine dicke, ineinander verwobene Schicht auf dem Boden gebildet; nur in den Ecken und an anderen geschützten Stellen lässt sich noch halbwegs feststellen, was es einmal gewesen ist. Ich würde sagen, dass die Zerstörung vor mindestens zwanzig, eher dreißig Jahren geschehen ist.«
    »Bei Ausbruch des Krieges …«, sagte Ebba.
    Samuel nickte. »Nicht unwahrscheinlich.«
    »Die Bürger könnten das Kloster gestürmt haben. Es war immerhin eine Art katholischer Insel in einem fast ausschließlich protestantischen Umfeld. Genügend Hass muss weiß Gott vorhanden gewesen sein.«
    »Worauf? Auf die Mönche im Allgemeinen? Oder auf die Teufelsbibel?«
    »Ich glaube nicht, dass die Braunauer von diesem Monstrum in ihrer Mitte wussten.«
    »Manchmal muss man etwas nicht unbedingt wissen, um dennoch eine Ahnung zu haben.«
    Ebba kniff die Augen zusammen und drehte sich langsam um sich selbst. »Was willst du damit sagen?«, fragte sie langsam.
    »Dass wir uns mit dem Gedanken befassen sollten, dass das Buch unter den ersten Dingen war, welche die guten Braunauer hier verbrannt haben.«
    »Und worauf warten die da draußen dann? Hast du einen Blick auf sie geworfen? So sahen die Leute von König Hrothgar aus, als sie darauf warteten, dass Beowulf ihnen endlich Grendel vom Hals schaffen würde.«
    Samuel lachte. »Du hast zu lange am Feuer gesessen und den alten Weibern zugehört, wie sie Heldengeschichten erzählen, Ebba.«
    »Tatsächlich haben Königin Kristina und ich uns diese Geschichte im Bett erzählt«, sagte Ebba fast feindselig.
    Samuel verbeugte sich. »Ich bitte um Verzeihung, Euer Gnaden.«
    »Ach, zum Henker, hör auf damit!«, rief sie. Björn Spirger und Gerd Brandestein drehten sich um, begegneten Samuels Blick und suchten hastig nach etwas anderem, das sie anstarren konnten. »Du weißt genau, was ich damit sagen wollte, Samuel!«
    »Natürlich«, erwiderte er. »Nur dass wir keine Helden sind.«
    »Und auch nichts finden werden, das meinst du doch.«
    »Gibt es noch andere Orte, an denen wir suchen können?«
    Sie packte ihn am Arm. »Hast du dich genau umgesehen?«, zischte sie. »Hast du dir die Häuser draußen angesehen? Die Kamine auf den Dächern? Wenn überhaupt Rauch aus ihnen aufsteigt, riecht er nach altem Heu und feuchtem Gras. Und was liegt hier drin in Massen? Geborstenes Holz von den Deckenbalken, gesplitterte Buchregale, zerstörtes Mobiliar! Warum ist das nicht längst alles geplündert worden von Menschen, die sich in ihren Hütten den Hintern abfrieren? Ich sage dir, warum, Samuel Brahe: weil sich die Leute nicht mehr hierherwagen. Hast du gesehen, wie sie vor dem Tor stehen, als wäre dort eine Grenze gezogen wie ein Feuerwall? Sie haben das Kloster überfallen und in Brand gesteckt, dann ist ihnen klar geworden, was sich hier befindet, und seitdem meiden sie die Ruine wie die Pest.« Sie ließ Samuels Arm los und schüttelte den Kopf. »Was muss das für ein Leben die letzten dreißig Jahre hier gewesen sein? Das Monstrum ist mitten unter ihnen, ragt über ihre Häuser auf und ist so groß wie die halbe Stadt – ein Monstrum, gemacht aus Aberglauben, panischer Furcht und schlechtem Gewissen. Wenn das nicht der Stoff ist, aus dem Geschichten wie die von Grendel entstanden sind, dann weiß ich nicht.«
    Er seufzte und antwortete nicht. Sie sahen sich an, und plötzlich erkannte Samuel, dass ihr Blickwechsel zu einem Duell geworden war. Während Unruhe in ihm aufstieg, versuchte er, nicht zu blinzeln – und fragte sich gleichzeitig, warum es ihm auf einmal wichtig war, nicht als Erster den Blick zu senken. Ebba war nicht seine Feindin. Schämte er sich seines eigenen Zynismus angesichts der Leidenschaft dieser ungewöhnlichen Frau, die ihn und seine Männer mit einer Selbstverständlichkeit als Waffengefährten betrachtete, die den meisten männlichen Anführern gefehlt hätte?
    »Rittmeister, wir haben was gefunden.«
    Ebbas Augen zuckten. Er konnte den Wunsch darin lesen, den Blickkontakt abzubrechen. Der Wunsch war ebenso stark wie

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