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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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hält meine Familie gefangen.«
    Über die vielen Jahre ihrer Freundschaft hinweg hatte Andrej festgestellt, dass ihm die Rolle desjenigen zugefallen war, der Fragen stellte, damit Cyprian über seine eigene Schweigsamkeithinwegfand und darüber zu sprechen begann, was ihn bewegte. Einer von Cyprians versteckten Vorteilen war, dass man einem bulligen Mann wie ihm keine schnellen Gedanken zutraute; in Wahrheit dachte Cyprian schneller als fast jeder Mensch, den Andrej kannte. Seine Eigenart, meistens dann zu schweigen, wenn Worte von ihm erwartet wurden, trug noch dazu bei, dass man seine Intelligenz unterschätzte. Zuweilen aber brauchte sogar jemand wie er einen, der ihn anschubste, damit aus Gedanken Worte wurden und durch das Sprechen in Fluss kamen. Heute jedoch schien der Trick nicht zu funktionieren.
    »Melchior hat Alexandra nicht erwähnt«, sagte Andrej.
    Cyprian nickte verbissen.
    »Wenn ihr etwas zugestoßen wäre, hätte er es uns wissen lassen, oder?«
    Cyprian nickte ein zweites Mal.
    »Was glaubst du, ist mit ihr los?«
    Schulterzucken.
    »Und was hat das alles mit dem toten Buh und der Teufelsbibel zu tun?«
    Cyprian ließ die Zügel plötzlich auf die Rücken der Pferde klatschen, bis sie doch in Galopp fielen und die Kutsche in halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Straße schoss.
    »Wir werden es rausfinden!«, brüllte Cyprian über das Rattern der Räder und das Geklapper der Hufe. »Und dann werden Ärsche getreten!«

22.
    Die Lage in Pilsen hatte sich nicht verbessert, seit Alexandra und Agnes auf der Reise nach Würzburg einen Bogen darum herum gemacht hatten: Die Stadt war, nach Einnahme durch das Ständeheer am Anfang des Krieges, nach Beherbergungdes kaiserlichen Heeres zehn Jahre später, nach Kämpfen gegen schwedische Truppen in den Jahren danach, nach einem Pestausbruch und der erst im vergangenen Sommer erfolgten Rückkehr der Kaiserlichen, die Pilsen als Basis für die Schlachten gegen die Schweden unter Wrangel missbraucht hatten, eine Geisterstadt geworden. Der Handel war zusammengebrochen, das einstmals mächtige Brauwesen lag am Boden, die Vorstädte waren alle ein Raub der Flammen geworden, und in Pilsen selbst stand jedes dritte Haus leer. Es sah nicht aus, als würde die Stadt sich in den nächsten hundert Jahren erholen. In den großen Fässern, in denen einst Bier gelagert worden war, hausten Spinnen und Ratten, und der Geruch von schimmelnder Gerste und faulem Malz, den die großen Braugewölbe in die Gassen hinein ausstrahlten, war ekelerregend.
    Die Firma Khlesl, Langenfels, Augustýn & Vlach hatte in mehrere Brauereien in Pilsen investiert. Die Verluste waren hoch gewesen, und der örtliche Faktor der Firma, Šimon Plachý, der zugleich ein halbes Dutzend weiterer unglücklicher Investoren vertreten hatte, war überzeugt gewesen, dass irgendjemand ihn und seine Klienten bewusst zu ruinieren versucht hatte. Agnes und Alexandra hatten nicht zuletzt seinetwegen darauf verzichtet, in Pilsen zu nächtigen. Er hatte sich schon in der Vergangenheit geradezu fanatisch in seinen Verdacht hineingesteigert, und alleine seine fiebrigen Pläne, wie man die Schuldigen dazu bringen könnte, das verlorene Geld zurückzuzahlen, hätten sie mindestens zwei Tage gekostet. Jetzt blieb Alexandra nichts anderes übrig, als ihn aufzusuchen und um Hilfe zu bitten. Ihr Pferd war am Ende, die Vorräte verbraucht, und sie fühlte sich, als wäre nur noch eine winzige Kleinigkeit vonnöten, dass sie sich auf der Erde zusammenrollte und aufgab. Im Augenblick war es ihr fast egal, ob der Aufenthalt sie Zeit kostete. Was sie mehr als alles andere brauchte, war eine Seele, die trotz der Kriegsgräuelund einer Neigung zum Verfolgungswahn noch ihre Menschlichkeit bewahrt hatte.
    Sie fand Šimon im Rathaus, und sie konnte ihm nicht verdenken, dass er sie nicht gleich erkannte – auch sie hätte ihn fast nicht erkannt. Er war vier oder fünf Jahre jünger als sie, sah aber älter aus als ihr Vater. Als sie ihren Namen nannte, sprang er auf, vergoss die mit Wasser gestreckte Tinte über seinen Tisch, verwandelte einen Köcher voller Gänsekiele in umherflatterndes Federngestöber und stieß sich das Knie so an der Sitzbank, dass er den ganzen Tag über humpeln würde. Er schloss Alexandra zu ihrer Überraschung in die Arme, und nach der ersten Schrecksekunde tat die Umarmung so gut, dass sie ihn nicht einmal fragte, wo seine sonstige formelle Zurückhaltung geblieben war.
    »Oh, Frau Rytíř, Frau

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