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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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überschäumenden, ungetrübten Ausgelassenheit, wie sie nur simple Gemüter an den Tag legten. Unwillkürlich erinnerte sie sich an Isolde, die junge Frau, die von Agnes’ ehemaliger Magd in Brünn an Kindes statt angenommen und aufgezogen worden war; auch Isolde hatte dieses unbekümmerte, ahnungsfreie, perlende Gelächter der reinen Unschuld besessen. Der Klumpen Eis, der sich in ihr geformt hatte beim Anblick des gefesselten Kindes, sank noch ein Stück tiefer.
    »Was tut das Wesen hier?«
    »Das Weib und ich konnten ihr Gejammer wegen der Kälte in der Zelle nicht mehr ertragen. Wir haben vom Rat die Erlaubnis eingeholt, sie über die Wintermonate zu uns zu holen.«
    Šimon war fassungslos; noch fassungsloser war Alexandra über das, was aus ihm heraussprudelte: »Ein guter Christ lässt seine Kinder mit so einer schändlichen Hexenbrut zusammen!?«
    »Die Kleine ist so unschuldig wie ein Vöglein«, sagte die Frau des Turmwarts, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatte. »Sie tut keinem was zuleide; eher muss ich aufpassen,dass unsere Brut hier ihr nicht zu arg zusetzt.« Von den Kindern des Turmwarts kam Protestgeschrei.
    »Wie alt ist das Mädchen?«, erkundigte sich Šimon.
    Der Turmwart und seine Frau warfen sich einen Blick zu. Alexandra starrte dem Kämmerer ins Gesicht. Sie sah steinerne Entschlossenheit darin. Plötzlich hatte sie das Gefühl, den Mann noch nie zuvor gekannt zu haben. »Hören Sie, Šimon«, sagte sie. »Ich denke, ich komme mit dem Pferd auch so nach Prag. Ich brauche das Eisen nicht. Lassen Sie uns gehen. Ich … ich bin müde, und vielleicht können Sie mir zeigen, wo ich …«
    »Ich bedauere, Frau Rytíř, aber das geht vor. Ich habe als Kämmerer Pflichten übernommen. Wenn wir hier für eine rechtskräftig Verurteilte Geld ausgeben, das dem Auf bau der Stadt und den guten Bürgern fehlt, ist das eine ebenso große Sünde wie die, der verfluchten Seele die Reinigung durch das Feuer zu verweigern.«
    »Wir wissen nicht, wie alt sie ist«, logen der Turmwart und seine Frau.
    »Feuer reinigt nicht, Feuer verzehrt unter den schlimmsten Schmerzen, die man sich vorstellen kann, und was zurückbleibt, ist bittere Asche«, sagte Alexandra.
    Šimon musterte sie. Die Kälte in seinem Blick zog ihr Herz zusammen. Ein kleiner Funken Besorgnis flammte in ihr auf, und ihre innere Stimme riet ihr, den Mund zu halten. »Sie ist ein Kind, Šimon«, sagte sie dennoch. Sie ist so alt wie ein anderes Kind, das ich am Weihnachtstag gerettet habe, obwohl kaum mehr Hoffnung bestand , fügte sie in Gedanken hinzu. Ein Kind, über dessen Feuertod ebenfalls jemand mitleidlos urteilen wird, wenn du deine Mission nicht erfüllst, sagte ihre verfluchte innere Stimme. Also halt den Mund, bevor sie dich hier noch als Verdächtige festhalten.
    »Jemand soll den Richter holen«, sagte Šimon. »Diese Angelegenheit muss geklärt werden.«
    Der Richter kam überraschend schnell. Als er verstand, worum es ging, ließ er die Schultern sinken. Ein Blick traf Šimon, der ganz klar zeigte, was der Richter vom Eifer des neuen Kämmerers hielt und dass er in diesem Augenblick Šimons Vorgänger dafür verfluchte, den Freitod gesucht zu haben, wie sich selbst, dass er der Ernennung ausgerechnet dieses Mannes zugestimmt hatte. Man mochte es ihm und den Räten als Feigheit oder als Menschlichkeit auslegen, die Existenz der Gefangenen einfach verdrängt und auf eine natürliche Regelung der Angelegenheit gehofft zu haben (im Gefängnis starb es sich leicht an Auszehrung oder an einer anderen Krankheit), aber nun wurden sie wieder mit dem Problem konfrontiert, und der Richter war alles andere als glücklich darüber.
    »So, wie das Kind aussieht«, sagte der Richter, »ist es noch lange keine zwölf Jahre alt.«
    »Wahrscheinlich hat es sich nicht recht fortentwickelt mit der Kette am Bein«, sagte Šimon. »Oder der Teufel hat seine Hand im Spiel.«
    Der Richter fasste Alexandra ins Auge. »Wer sind Sie?«
    »Sie hat mit alldem nichts zu tun«, sagte Šimon. »Exzellenz, der Fall muss in Ordnung gebracht werden.«
    Der Richter brummte etwas. Alexandra sah aus dem Augenwinkel, wie bleich der Turmwart und seine Frau geworden waren. Ein flehentlicher Blick traf sie. Unwillkürlich öffnete sie den Mund. Das Kind an der Kette starrte neugierig zu ihr und den beiden Männern herüber, und plötzlich sah sie statt seiner Lýdies Gesicht unter dem verwilderten Haar, Lýdies Gestalt in dem dünnen Hemd, perfiderweise sogar mit

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